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Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben

Titel: Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben
Autoren: Frank Wedekind
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Löffeln und einem Topf voll Suppe zurück, den er vor die Gesellen hinstellt.
     
    MICHELE. Her damit, Unhold! Du leckst unsere Löffel ab, wenn wir satt sind!
    DER KÖNIG
weicht im Kampf mit sich selbst zurück, sucht zuerst seiner Gefühle Herr zu werden, dann sich gegen die Stirn schlagend.
O Fluch über den König, der mich hindert, mich von diesem Schurken prügeln zu lassen! O Fluch über den König, der mich hindert, diesen Schurken zu zerschmettern, da ich ihn besser begreife, als er mich begreift! O Fluch über den König, der mich hindert, ein Mensch zu sein, wie jeder andere! O dreimal Fluch über den König!
     
    Die Gesellen sind entsetzt aufgesprungen.
     
    MICHELE. Habt Ihr's gehört? Er lästert den König! Er lästert den König!
    BATTISTA UND NOÈ
zugleich.
Er hat den König gelästert!
    MICHELE. Packt ihn an! Haltet ihn fest! – Meister Pandolfo! – Meister Pandolfo! – Schlagt ihm die Zähne ein!
    MEISTER PANDOLFO
hereinstürzend.
Immer fleißig, Burschen! Was prügelt ihr euch schon so früh in der Werkstatt? Seid ihr besessen?!
    DIE GESELLEN
den König an den Armen haltend.
Den König hat er gelästert! Fluch auf den König hat er geschrien! Dreimal Fluch auf den König!
    DER KÖNIG
der sich willenlos der Gewalt fügt.
Dreimal Fluch auf den König! – So falle denn des Königs Haupt unter dem Henkerbeil!
    DIE GESELLEN. Hört Ihr ihn, Meister Pandolfo!
    DER KÖNIG
für sich.
Mein armes Kind!
    MEISTER PANDOLFO. Bindet ihm die Hände auf den Rücken. Fluch auf unseren lieben guten König Pietro! König Pietros Haupt soll unter dem Henkerbeil fallen! Holt Stricke her! Führt den Hund zum Gericht! Der Landstreicher verjagt mir die beste Kundschaft! Das Haupt König Pietros, der seine Rechnungen so pünktlich bezahlt, wie das überhaupt noch kein König getan hat!
     
     
Viertes Bild

    Gerichtssaal.
    Am Mitteltisch der Oberrichter, zwei Richter, der Aktuar und als Schreiber junge Prinzessin Alma, die das Protokoll vor sich hat. Rechts vom Mitteltisch das Katheder für den Prokurator des Königs, links dasjenige des Verteidigers. Rechts auf den Stufen hocken Meister Pandolfo und seine Gesellen als Zeugen. Zu den von Hellebardieren bewachten Ausgängen drängt sich das Volk herein.
     
    DER OBERRICHTER. Ich eröffne die Sitzung im Namen Seiner erhabenen Majestät des Königs.
Sämtliche Anwesende erheben sich von ihren Sitzen.
– Ich erteile vorerst dem Vertreter der Anklage, dem Herrn Silvio Andreotti, Doktor beider Rechte und Prokurator des Königs, auf sein Verlangen das Wort.
    DER PROKURATOR DES KÖNIGS. Unter der segensreichen Herrschaft unseres erhabenen und geliebten Königs Pietro
Die Anwesenden erheben sich.
ist es in unserer Stadt Perugia zur Gepflogenheit geworden, daß dem Bürger, um sein Vertrauen in die unerschütterliche Unbestechlichkeit unserer Rechtsprechung zu befestigen, gestattet wurde, sich während unserer Verhandlungen im Gerichtssaal aufzuhalten. Angesichts des heute zur Verhandlung gelangenden Verbrechens ersuche ich hingegen die Richter, sie möchten die hier versammelten Zuhörer, um sie vor einem allzu tiefen Einblick in die Verworfenheit der menschlichen Natur zu bewahren, von unserer Verhandlung ausschließen.
    DER OBERRICHTER. Dem wohlüberlegten Vorschlage des würdigen Herrn Prokurators soll entsprochen werden.
     
    Die Zuhörerschaft wird durch Hellebardiere mit quergehaltener Waffe lautlos aus dem Saal gedrängt.
     
    DER OBERRICHTER. Unser erhabener König Pietro
Die Anwesenden erheben sich.
hat die weise und gnädige Bestimmung getroffen, daß einem jeden unbemittelten Angeklagten, gleichviel aus welchem Lande er immer sein mag, auf Kosten unserer Stadt ein rechtskundiger Verteidiger zur Seite zu geben sei. Der würdige Herr Corrado Ezzelino, Lehrer und Doktor beider Rechte, hat sich bereit erklärt, heute dieses Amtes zu walten. Nunmehr erteile ich unserem würdigen Herrn Gerichtsaktuar Matteo Nerli auf sein besonderes Verlangen das Wort.
    DER GERICHTSAKTUAR. Hochwürdige und weise Richter! Der Krampf, der infolge einer langjährigen nimmermüden Tätigkeit im Dienste des Gesetzes die Bewegungen meiner Rechten lahmt, läßt mich der Ehre nicht teilhaftig sein, eigenhändig das Protokoll unserer heutigen Verhandlung aufzusetzen. An meiner Seite sehet Ihr meinen Schreiberlehrling, einen mir liebgewordenen aufgeweckten Knaben, trotz seiner Jugend mit ganz außergewöhnlicher Liebe zur Rechtsgelehrsamkeit begabt, dem ich das Niederschreiben des Protokolls unter
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