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Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben

Titel: Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben
Autoren: Frank Wedekind
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von Reue über seine Tat an den Tag gelegt hat, wurde das Urteil dahin verschärft, daß er seine zweijährige Kerkerstrafe in allerstrengster Einzelhaft zu verbüßen hat. – Gegeben im Namen des Königs am dritten Tage des Monates August im Jahre des Heiles Eintausendvierhundertundneunundneunzig. –
Zu den Wachen gewendet.
Der Gefangene wird abgeführt!
Sich erhebend, zu den Richtern mit verbindlicher Verbeugung.
Damit erkläre ich die heutige Verhandlung für geschlossen. Gesegnete Mahlzeit!
     

Zweiter Aufzug
     
Fünftes Bild

    Gefängnis.
     
    DER KÖNIG
sitzt vor sich hin pfeifend auf den Stufen und flicht an einem Weidenkorb.
– – – Ich verspüre Durst – – – Ist es wirklich schon wieder so spät am Tage.
Er erhebt sich sehr vergnügt und blickt durch einen der Ausgänge forschend nach oben.
– Wie hier die Zeit vergeht! – Weiß Gott! – Die Sonne beginnt schon über die Südmauer des Turmes zu gleiten! – Also den Wasserkrug! –
Er holt einen irdenen Krug aus der Ecke und wendet sich in erwartender Stellung der Tür zu.
– Er kommt schon! – – Hat mir, solange ich König war, je ein Trunk so gemundet wie dieser frische Trunk Wasser, den ich nun seit zwölf Monden täglich um diese Stunde erhalte? – Ich glaube, es ist ein unverdientes Glück für mich, daß ich nicht unter meiner eigenen Regierung ins Gefängnis gekommen bin.
     
    Die Tür wird klirrend aufgerissen und draußen schreit eine rauhe Stimme: »Wasserkrug!« Der König setzt den Krug hastig vor die Tür und kehrt in die Zelle zurück. Die Tür fällt ins Schloß, wird aber
    sofort wieder geöffnet, und der Gefängniswärter tritt ein.
     
    DER GEFÄNGNISWÄRTER. Himmelkreuzsackerment, Gigi, was zerschmeißt du den Wasserkrug! Schweig, du Hund! Der Krug hat ein Loch! Gestern war er noch heil! Dir heiz ich ein, daß dein Blut von der Stirne trieft! Du hältst mich schon für deinen Bedienten, weil ich dir in letzter Zeit nicht mehr so auf die Finger sah! Jetzt sollst du's erleben, daß die Haare dir weiß werden! – Deine Arbeit zeig vor!
     
    Der König holt den Weidenkorb.
     
    DER GEFÄNGNISWÄRTER. Das dein Tagewerk?! Du kriegst keinen Happen Brot, eh du das Fünffache lieferst!
Ihm den Korb vor die Füße werfend.
Da! – Und nun werde ich deine Zelle revidieren. Sieh dich vor! Du kommst mir nicht mehr lebendig aus diesem Loch! –
Er geht, die Hände auf dem Rücken, von der Tür bis zum Fenster schrittweise der Wand entlang, indem er die Mauer vom Plafond bis zur Erde mustert und sich hin und wieder nach dem Gefangenen umdreht, der ihm verwundert mit den Blicken folgt.
Was tut das Spinngewebe dort oben?! Vierte Disziplinarstrafe auf acht Tage!
Sich umwendend.
Du weißt doch die sieben Disziplinarstrafen noch auswendig? He, Gigi?
    DER KÖNIG. Ich weiß sie auswendig.
    DER GEFÄNGNISWÄRTER. Erste Disziplinarstrafe?
    DER KÖNIG
von jetzt an jede Antwort mit einem geringschätzigen Lächeln begleitend.
Entziehung von Vergünstigungen.
    DER GEFÄNGNISWÄRTER. Ich werde dir deine Laute in Stücke schlagen, mit der du deine Arbeitszeit verplemperst! – Zweite Disziplinarstrafe?
    DER KÖNIG. Entziehung der Arbeit.
    DER GEFÄNGNISWÄRTER. Dann sieh, womit du die Zeit verbringst! In acht Tagen tragen dich deine Beine nicht mehr! – Dritte Disziplinarstrafe?
    DER KÖNIG. Entziehung des weichen Nachtlagers. – Mein Lager ist ohnehin so hart, als wäre es mit Kieselsteinen gestopft!
    DER GEFÄNGNISWÄRTER. Schweig! – Der Kerl möchte wohl gern ins Heu schlafen gehen! – Vierte Disziplinarstrafe?
    DER KÖNIG. Schmälerung der Kost.
    DER GEFÄNGNISWÄRTER. Wasser und Brot von heute auf acht Tage! – Hast du's gehört?! Fünfte Disziplinarstrafe?
    DER KÖNIG. Einsperren im Dunkeln.
    DER GEFÄNGNISWÄRTER. Sechste Disziplinarstrafe?
    DER KÖNIG. Anschließen an die Kette.
    DER GEFÄNGNISWÄRTER. Das hast du nämlich so zu verstehen, daß du krumm geschlossen wirst, so daß dir nach der ersten Stunde schon alle Teufel, die du im Leibe hast, Lebewohl sagen! Siebente Disziplinarstrafe?
    DER KÖNIG. Körperliche Züchtigung.
    DER GEFÄNGNISWÄRTER
am Fenster angelangt.
Du sollst hier dein Fell noch spüren! Du Tagedieb sollst mir diese Himmelsleiter hinauf- und hinunterklettern, bis du tot herunterfällst.
Er geht vor dem König durch, verläßt die Zelle und schließt von außen zu.
    DER KÖNIG
sieht ihm, den Kopf schüttelnd, in höchster Verwunderung nach, ohne daß seine gute Laune im geringsten gelitten hat.
Was war das? –
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