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König Artus

König Artus

Titel: König Artus
Autoren: John Steinbeck
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und häßliches Gefühl« (288). Das Magiertum der verschiedenen Zauberinnen erklärt Steinbeck psychologisch plausibel aus einem »infantilen Verhältnis zur Realität«. In den einfallsreich erweiterten Szenen der Verführung durch die vier Königinnen gibt es nicht nur die Versuchung der Wollust und der Macht, sondern auch das Angebot eines Freudschen Muttererlebnisses. Die Kapellen-Episode, deren archetypisches Potential schon Eliot in The Waste Land für die moderne Literatur wiederentdeckte, suggeriert poetisch visionär einen Zusammenhang zwischen Lancelots Verlust seiner Mutter und seiner späteren Verfallenheit an die ihr gleichende Guinevere (482/83).
    Trotz dieser Freudschen Modernisierung dient die Fremdheit der mittelalterlichen Welt Steinbeck nicht wie Mark Twain als Vorwand für Yankee-Späße. Es gibt frei erfundene, humorvolle Episoden wie die an Steinbecks Haushaltung in Somerset erinnernde Idylle von Sir Marhalt und der »Frau von dreißig Jahren«. Aber sie sind thematisch funktionalisiert und akzentuieren das Spannungsverhältnis zwischen mittelalterlicher Stilisierung und Realität. Durch parodistische Zusätze (z.B. Ewains drakonische Ritter-Ausbildung bei Lady Lyne, 295 ff., oder Lancelots Gespräch bei der Äbtissin, 427 ff.) sucht Steinbeck den Abstand zwischen den Werten der ritterlichen Blütezeit und Malorys desillusionierter, aber nostalgischer Epoche bewußtzumachen und das bei mittelalterlicher Literatur wesentliche Problem zusätzlicher Informationsvermittlung künstlerisch befriedigend zu lösen. Steinbecks Die Taten des König Artus und seiner Ritter gehört wie Tortilla Flat literaturhistorisch zu den vielfältigen Versuchen des zwanzigsten Jahrhunderts, durch Rückgriff auf die Muster mythischer Erzählung Gegenwartserfahrung ästhetisch artikulierbar zu machen. Diese ›mythische Methode‹ prägt Eliots Waste Land und Joyces Ulysses wie Thomas Manns Josephs -Romane und den Doktor Faustus. Die mythische Rolle, mit der sich Steinbeck in dieser reizvollen, psychologisch romanhaften Nacherzählung Malorys identifiziert, ist begreiflicherweise nicht die des Königs Artus, sondern die attraktivere des Lancelot.

    Prof. Dr. Lothar Hönnighausen
    Universität Bonn
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