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König Artus

König Artus

Titel: König Artus
Autoren: John Steinbeck
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glaubte, er habe im 5. Jahrhundert gelebt, denn er ließ anno 454 nach Christi Geburt Galahad den »Gefährlichen Sitz« einnehmen. Sodann steckte er seine Ritter in Rüstungen aus dem 15. Jahrhundert und erlegte den Ritterkodex aus dem 12./13. Jahrhundert einem seltsam entvölkerten und ruinierten Land auf, das einen an England nach dem ersten Auftreten der Pest und an die Verwüstung nach den Rosenkriegen denken läßt. Seine Städte sind Märchen-, man könnte sogar sagen Walt-Disney-Gebilde. Aber wie würde man einen Dux bellorum aus dem 5. Jahrhundert kleiden, wenn man sich für diese Epoche entschiede, und zumal einen von römischer Herkunft und mit römischem Hintergrund? Ich weiß, was die spätrömische Reiterei trug, und es hatte nichts mit der vom Kopf bis zum Fuß reichenden Plattenpanzerung des 15. Jahrhunderts zu tun. Die Turnierlanze war unbekannt, das Rittertum noch nicht erfunden.
    Eines hat Malory getan – er siedelte seinen Text in einem »Früher« an. Das ist nun eine ganz eigene Zeit, und ich habe versucht, sie zu übernehmen. Eine Differenzierung der Vergangenheit ist relativ jungen Datums. Julius Caesar hatte keine Schwierigkeiten mit seiner Abstammung von Venus und empfand sie nicht als etwas sehr Fernes. Herodot gibt der Vergangenheit, die er schildert, keine zeitliche Tiefe. Galahad ist Nachkomme von Joseph von Arimathia im achten Glied, und Lancelot stammt im siebten Grad von Jesus Christus ab, wenn mir auch unklar ist, wie das zuwege gebracht wurde. Ich möchte hier nicht den Schulmeister spielen. Und nach einer Diskussion werde ich vielleicht einen anderen Weg einschlagen. Ich habe die Wahl unter folgenden Möglichkeiten – ich kann mich für eine bestimmte Periode entscheiden und dabei bleiben, was diese ganze Arbeit auf eine umgrenzte Zeit fixieren würde und mir nicht gefällt, weil die Erzählungen einen überzeitlichen Charakter haben; oder ich kann, wie alle anderen, die Vergangenheit zu einem großen, bunt zusammengesetzten Tableau machen, das »Früher« heißt. Nun, das ist ja tatsächlich das Bild, das die meisten Menschen von der Vergangenheit haben. In diesem Muster könnte das Pfahldorf wie der toskanische Kaufmann Platz finden, weil beide dem »Früher« angehören. Das einzige, was darin keine Aufnahme finden kann, ist das »Heute«, das Gegenwärtige. Andererseits wieder müssen die menschlichen Probleme alle Probleme von heute sein. Malory brachte alle Probleme aus seinem, dem 15. Jahrhundert, im »Früher« unter. Und ich muß im »Früher« die Probleme unserer Zeit unterbringen. Ich möchte, daß Sie das mit mir durchdiskutieren. Vielleicht bin ich auf dem verkehrten Weg. Ich glaube, daß diese Erzählungen moralische Parabeln sind. Aesop legte seine Weisheit und seine Morallehren Tieren in den Mund. Ich muß die Weisheit oder vielmehr beides Rittern in den Mund legen, aber es ist, genauso wie es bei Malory war, die Gegenwart, über die ich schreibe. Wenn ich die Arbeit zu einem zeitgebundenen Text mache, werden die Probleme seltsamerweise Probleme dieser Zeit. Indem ich sie aber vor einen riesigen zeitlosen Bühnenvorhang des »Früher« stelle, hoffe ich, sie für das »Jetzt« doppelt gültig zu machen. Verstehen Sie überhaupt, was ich sagen will? Und ist es einleuchtend? Ich sollte in meiner Einleitung wohl auf dieses Problem eingehen. Aber wir werden über all dies diskutieren, lange bevor wir etwas Gedrucktes zu sehen bekommen.

    AN ERO – SOMERSET, 22. AUGUST 1959
    Die Arbeit wächst nicht zusammen. Sie wissen das, und ich weiß es auch. Sie ist noch nicht aus einem Guß. Wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, kommt eine Zeit, in der sie Gestalt gewinnen muß, und dafür kann niemand außer mir selbst sorgen. Sie muß etwas Geschlossenes werden, und das ist sie noch nicht. Dann überlegte ich: Ich bin jetzt hier, und ein Zimmer hier ist ebenso gut wie ein Zimmer in New York. Fingernägel kann ich überall kauen. Und deshalb werde ich den Rest meiner Zeit hier nicht mit Schreiben, sondern mit Schauen, mit Speichern verbringen. Wir hoffen, um den 15. Oktober auf der Flandre nach Hause reisen zu können, wenn wir eine Passage bekommen. Die letzten zwei Wochen oder zehn Tage werden wir uns in London aufhalten. Auch dort möchte ich mir allerhand ansehen. Dann werde ich einen großen Vorrat beisammen haben, aus dem ich mich bedienen kann. Und ich arbeite ungleich besser, wenn ich einen Schauplatz gesehen habe. Wir werden die angrenzenden Gebiete bis
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