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König Artus

König Artus

Titel: König Artus
Autoren: John Steinbeck
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Stynebec de Montray
    Miles

    Als ich neun Jahre alt war, begann ich König Artus’ Tafelrunde zu belagern, eine Gemeinschaft von Rittern, so stolz und würdig wie nur irgendwelche zu ihrer Zeit. – In jenen Tagen herrschte großer Mangel an Knappen von kühnem Mut und edler Sinnesart, die Schild und Schwert trugen, den Harnisch schlössen und verwundeten Rittern beistanden. – Dann fügte es sich, daß meiner Schwester, damals sechs Jahre alt und an ritterlicher Tapferkeit von keinem Lebenden erreicht, gewissermaßen Knappenpflichten zufielen. Betrüblicherweise geschieht es zuweilen, daß treue Dienste nicht gewürdigt werden, und so blieb meiner holden und treuen Schwester die Anerkennung als Knappe versagt. – Wofür ich sie am heutigen Tage, soweit ich es vermag, entschädigen will, sie in den Ritterstand erhebe und ihr Loblied anstimme. – Und von dieser Stunde an soll sie Sir Marie Steinbeck vom Tale Salinas genannt sein. – Gott schenke ihr Ehre ohne Fährnis.
    John Steinbeck von Monterey
    Ritter

Einleitung

Manche Menschen vergessen, wenn sie herangewachsen sind, was für eine Plage es ist, das Lesen zu erlernen. Es ist vielleicht die größte Anstrengung im menschlichen Leben, und sie muß im Kindesalter geleistet werden. Einem Erwachsenen gelingt es nur selten – Erfahrungen auf eine Gruppe von Symbolen zu reduzieren. Seit Abertausenden von Jahren lebt nun schon der Mensch auf der Erde, doch erst vor zehntausend Jahren hat er dieses Kunststück – diesen Zaubertrick – erlernt.
    Ich weiß nicht, wie weit meine Erfahrung verbreitet ist, aber ich habe bei meinen Kindern erlebt, welch verzweifelte Mühe es sie kostete, als sie das Lesen zu erlernen versuchten. Sie zumindest haben die gleiche Erfahrung gemacht wie ich.
    Ich erinnere mich noch, daß ich in Wörtern – geschrieben oder gedruckt – Teufel sah, und die Bücher waren meine Feinde, weil sie mir Schmerzen zufügten.
    Literatur schwebte in der Luft, die mich umgab. Die Bibel nahm ich gleichsam durch die Poren in mich auf. Aus meinen Onkeln sprach Shakespeare, und Pilgrim’s Progress war in die Milch meiner Mutter gemischt. Doch all dies erreichte mich durch die Ohren, als Töne, Rhythmen, Sprachfiguren. Bücher aber waren gedruckte Dämonen – Daumenschrauben und Kneifzangen einer empörenden Verfolgung. Und dann ignorierte eines Tages eine Tante meine Aversion und beschenkte mich törichterweise mit einem Buch. Ich starrte voll Haß auf die schwarzen Lettern, doch allmählich schlossen sich die Seiten auf und ließen mich ein. Der Zauber wirkte. Die Bibel und Shakespeare und Pilgrim’s Progress waren Allgemeingut. Dieses Buch aber gehörte mir ganz allein … Es war eine gekürzte Fassung der Caxton-Ausgabe des Morte d’Arthur von Thomas Malory. Wie ich sie liebte, die altertümliche Schreibweise der Wörter – und die Wörter selbst, die nicht mehr in Gebrauch waren. Vielleicht hat mir dieses Buch meine leidenschaftliche Liebe zur englischen Sprache erschlossen. Entzückt entdeckte ich Paradoxe – daß cleave zugleich zerspalten wie zusammenkleben bedeutet; daß host einen Feind wie einen Gastfreund bezeichnet, daß king und gens (Leute) aus derselben Wurzel stammen. Lange Zeit hatte ich eine Geheimsprache – yclept und hyght, wist und accord in der Bedeutung Frieden und entente als Wort für Absicht und fyaunce als Bezeichnung für ein Versprechen. Mit stummen Lippenbewegungen sprach ich den thorn genannten Buchstaben Þ aus, wie ein »p«, dem er ähnlich sieht, statt wie ein »th«. Doch in meinem Heimatort wurde das erste Wort von Ye Olde Pye Shoppe wie ein »Yee« ausgesprochen, nicht als »The«, und so nehme ich an, daß meine klügeren Altvorderen auch nicht klüger waren als ich. Erst viel später kam ich darauf, daß das verlorengegangene Þ durch das »y« ersetzt worden war. Doch hinter dem Glanz und dem Geheimnis des »And when the chylde is borne lete it be delyvered to me at yonder privy posterne uncrystened« erfaßte ich seltsamerweise den Sinn der Worte, denn ich flüsterte sie vor mich hin. Gerade das Fremdartige an dieser Sprache schlug mich in Bann und katapultierte mich in eine altertümliche Welt.
    Und in dieser Welt waren alle Untugenden versammelt, die es jemals hinieden gegeben hat, dazu Mut und Traurigkeit und Vergeblichkeit, vor allem aber Galanterie – vielleicht die einzige männliche Eigenschaft, die das Abendland erfunden hat. Ich glaube, daß ich mein Rechtsempfinden, mein Gefühl für Noblesse
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