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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen
Autoren: Katrin Koppold
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Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich als überzeugte Katholikin wiedergeboren werde, trete ich in meinem nächsten Leben direkt nach dem Schulabschluss in ein Kloster ein.
    Ich stelle es mir wunderbar vor, den ganzen Tag mit andächtigem Gesicht auf Kirchenbänken herumzusitzen oder in stillem Zwiegespräch mit Gott versunken in irgendwelchen Kräutergärten herumzuwandeln. Niemand von meiner verrückten Familie könnte unangekündigt vor der Tür stehen, von mir würde nie mehr erwartet werden, dass ich mich besonders modisch anziehe und bestimmt hätte keine der anderen Nonnen eine Botox-Flatrate. Aber vor allem würden in meinem zweiten Leben als Dienerin Gottes Männer überhaupt keine Rolle spielen und ich würde garantiert nicht unter dem Küchentisch kauern, das Handy meines Freundes in der Hand und folgende Nachricht lesen: „Caro, non vedo l’ora di rivederti. Angela“ , was ich dank des Volkhochschulkurses Italienisch I mit „Liebster, ich kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen, Angela“ übersetzen konnte.
    Erbost drückte ich auf die „Löschen“-Taste. So ein Schuft! Mit mir nicht mehr regelmäßig ins Bett wollen, sich aber eine italienische Geliebte zulegen … Und das, wo ab 30 die Chance, ein Kind zu bekommen, jeden Monat um 1 % sinkt und ich somit mit 36 kurz vor der Menopause stand.
    „Warum sitzt du auf dem Boden?“
    Ich schreckte hoch und stieß mir dabei den Kopf an der Tischplatte an. Giuseppe, mein Freund, stand nur mit einem Handtuch bekleidet vor mir.
    „Dein Handy hat angefangen zu vibrieren und ist vom Tisch gehüpft. Ich wollte es aufheben.“
    Diese Erklärung ist einleuchtend, nicht wahr? Vor allem, wenn sie von mir kommt. Ich bin nämlich so gradlinig wie eine Laugenstange. Das behauptete jedenfalls meine Schwester Fee. Und ihre Einschätzung meiner Person schien richtig zu sein.
    „Seltsam! Das Display zeigt gar nichts an.“ Giuseppe runzelte die Stirn und drückte ein wenig auf dem Display herum, legte dann aber das Handy kommentarlos auf den Küchentisch zurück. „Ich gehe duschen. In einer Stunde muss ich zum Flughafen.“
    Er drehte sich um und verschwand im Bad.
    Seufzend blickte ich ihm hinterher. Er sah so gut aus! Und er war groß! Endlich ein Mann, neben dem ich nicht wie Averell Dalton wirkte. Ich könnte sogar problemlos hohe Schuhe tragen und immer noch zu ihm aufschauen.
    Vielleicht gab es eine ganz harmlose Erklärung für die SMS. Vielleicht hatte eine Verwandte sie geschrieben! Seine Schwester, Mutter oder Oma. Nur leider wusste ich, dass Giuseppe Einzelkind war, seine mamma , auch wenn ich sie bisher noch nicht persönlich kennen lernen durfte, Carla hieß und seine beiden Großmütter bereits gestorben waren. Vielleicht war die SMS auch versehentlich an ihn geraten und eigentlich für jemand ganz anderen bestimmt. Das konnte doch sein, oder? Erst vor zwei Wochen hatte ich eine Nachricht von einer Kollegin bekommen, in der sie mich Puschel nannte.
    Ach, es war zu unfair! Da irrte ich jahrelang auf der Suche nach dem Richtigen durchs Leben, zog eine männliche Niete nach der anderen und kurz vor Schluss hatte ich ihn doch noch gefunden. Mr. Right. Und nun sollte schon wieder alles vorbei sein?
    Dabei hatte ich dieses Mal versucht, alles richtig zu machen. Ich hatte einen Italienisch-Kurs besucht, um mich mit Giuseppe in seiner Muttersprache zu unterhalten, ich war in ein Steak-Restaurant gegangen … als Vegetarierin … und nicht nur, dass ich mit ihm zusammen ein Champions-League-Spiel besucht hatte, nein, ich hatte auch noch im Fanbereich der Italiener gestanden. Mein Gott, wie viele Opfer muss ein Mensch denn noch bringen, um die Liebe seines Lebens an sich zu fesseln? Nein, ich konnte es nicht glauben, dass Giuseppe mich betrog. Obwohl, wahrscheinlich konnte ich es doch, denn sonst hätte ich ja die SMS nicht gelesen. Aber ich wusste, wer es definitiv nicht glauben könnte: Fee! Sie würde ich anrufen.
    Aus dem Badezimmer heraus ertönten tiefe italienische Baritonklänge. Die Gelegenheit war günstig.
    Ich griff zum Hörer. Fee hob sofort ab. Sie hatte ihr Handy immer griffbereit. Ich hatte sie schon beim Sex mit ihrem Freund Sam erreicht, im Flugzeug kurz nach dem Start, selbst auf dem Gynäkologiestuhl war sie einmal ans Telefon gegangen.
    „Helga, was gibt’s?“
    „Ich brauche deinen Rat.“
    „Moment.“ Sie dämpfte ihre Stimme. „Bring sie irgendwie dazu, in den Hamburger reinzubeißen … Ist mir egal wie. Öffne ihren Mund
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