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Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall

Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall

Titel: Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall
Autoren: Stefan Keller
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ihn eine türkische Frau undefinierbaren Alters abwartend an. Er zeigte ihr das Foto, das er aus dem Bildband kopiert hatte. Sie schüttelte den Kopf. Nein, Kunden, die so alt waren, dass sie sich an die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts erinnern könnten, hatte sie nicht. »Hier nur Studenten«, stammelte sie. »Vielleicht Eigelstein?«
    Der Detektiv folgte ihrem Rat. Aus dem offenen Fenster eines Proberaums der Hochschule klang eine Violine, deren disharmonische, schwermütige Melodie ihn ein Stück weit die leere Straße zurück zum tosenden Verkehr der Nord-Süd-Fahrt begleitete. Ihm kam es vor, als habe er noch nie eine leblosere Straße in Köln gesehen.
     
    *
     
    Jenseits der vierspurigen Nord-Süd-Fahrt war ebenfalls noch ›Unter Krahnenbäumen‹, las er auf dem Straßenschild, rigoros abgeschnitten vom längeren Teil der alten Straße, dafür verbunden mit dem deutlich lebhafteren, weil von Geschäften gesäumten Eigelstein. Wie auf der anderen Seite überwogen gesichtslose Bürogebäude, selten hatte sich dazwischen ein Altbau behaupten können. Die nördliche Seite der Straße war unbebaut geblieben, um ein paar Autos einen Parkplatz zu bieten, und ließ den Blick frei auf ein Hinterhaus am Eigelstein. Unter einem einsamen Baum saß ein alter Mann im Rollstuhl und döste in den ersten warmen Strahlen der Frühlingssonne. Marius überquerte die Straße und setzte sich neben ihn auf eine kleine Mauer, die das Grundstück nach hinten abschloss.
    »Schönes, sonniges Plätzchen haben Sie sich ausgesucht«, begann der Detektiv zwanglos das Gespräch und blinzelte in die Sonne. Der Alte hielt den Kopf gesenkt und schwieg. Gemeinsam genossen sie die wärmenden Strahlen. Im Baum bewies eine Kohlmeise lautstark zwitschernd ihre Anwesenheit. Ansonsten war es abgesehen vom leisen Rauschen des Verkehrs still. Nach ein paar Minuten hob der Alte den Kopf. Der Detektiv schätzte ihn auf gut 70 Jahre. Kräftige Hände und klobige Gesichtszüge erinnerten an einen alt gewordenen Boxer. Freundlich lächelte er den Alten an, der grinste schief. Aus seiner Jacketttasche kramte er eine Packung Zigaretten und ein Feuerzeug hervor. Seine Hände zitterten. Marius half ihm, die Zigarette anzuzünden. Tief inhalierte der Alte, lehnte sich in seinem Rollstuhl zurück und atmete schließlich glücklich aus. »Dat wor joot«, sagte er in tiefstem Kölsch. Marius musste sich anstrengen, um ihn zu verstehen. Der Alte klopfte dem Detektiv kurz auf die Hand. »Ming Arz hät et mich ja verbode, et Rauche’. Evver wat willste maache? Na sechzich Joohr? Da hörste och nich’ mehr uf.« Mit zitternden Händen hielt er Marius die Zigaretten entgegen. Der Detektiv winkte ab. Ein Schatten der Missbilligung zog über das Gesicht des Alten. »Ihr Jüngelsche wisst nich’, wat joot is’.«
    »Ein ruhiges, sonniges Plätzchen wissen wir schon noch zu schätzen«, lenkte Marius ein. Gemeinsam hielten sie weitere fünf Minuten die Gesichter in die Sonne.
    »Früher war es lebhafter hier, oder?«, fragte Marius nach einer Weile.
    »Unger Krahnebäume wor ming Stroß, als Fremder hüttste do nit zo soje domals.« Marius verstand kaum ein Wort.
    »Hück is dot anders. All dot!«
    Der Detektiv legte dem Mann die Kopie mit dem Foto unters Gesicht und tippte mit dem Finger auf den Jungen mit dem Kopftuch. »Erinnern Sie sich an den?«
    Die Augen des Alten weiteten sich einen kurzen Moment, bevor er die Bremsen seines Rollstuhls löste. »Den kenn ich nit«, murmelte er.
    Der Detektiv blickte ihm nach, wie er mühsam über die Straße rollte und auf der anderen Seite in einem Neubau verschwand. Als die Tür hinter dem Mann zugefallen war, stand er auf, ging hinüber und schellte bei einer der oberen Klingeln. Der Türöffner summte, Marius schaute in den Hausflur. Kein Aufzug, also wohnte sein Gesprächspartner parterre. Vor einer der Türen im Erdgeschoss lehnte ein Rollator. Marius schaute auf das Klingelschild, auf dem in einer schwer leserlichen Handschrift ›Albertz‹ gekritzelt war. Er schellte. Wie erwartet blieb die Tür des Alten verschlossen. Marius war überzeugt, dass er den Jungen auf dem Bild erkannt hatte. Warum hatte er das abgestritten?
     
    *
     
    Der Alte hatte hinter seiner Tür ausgeharrt und gelauscht. Wie er befürchtet hatte, war ihm der Fremde gefolgt und hatte sich Einlass verschafft. Er hatte seine Schritte gehört und das Schellen. Dumm schien er nicht zu sein.
    Mit angehaltenem Atem hatte er gewartet, bis die Schritte
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