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Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall

Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall

Titel: Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall
Autoren: Stefan Keller
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zu, der sie festhielt, und drückte ihm einen schmatzenden Kuss auf die Wange.
    »Alles bestens, wenn du nicht da wärst«, ergänzte der Mann und küsste Barbara auf den Mund. Barbara erwiderte den Kuss – vor seinen Augen!
    »Geh nach Hause, Siggi, geh schlafen!«
    »Genau! Geh nach Hause. Es ist schon spät. Du musst schlafen«, ergänzte der Fremde grinsend. Siggi ballte die Faust in der Tasche. Der Mann erhob sich jetzt, Barbara immer noch im Arm, gemeinsam wankten die zwei in Richtung Eigelstein, wo Barbara bei ihrer Tante wohnte. Siggi sah zu, wie sie sich vor ihrer Haustu ̈ r von dem Jungen löste, sah, wie er versuchte, sie wieder an sich zu ziehen, sie zu küssen und kichernd in den Hauseingang zu drängen. Barbara wand sich erneut hinaus, lachte, drückte dem Jungen einen Kuss auf die Lippen und verschwand geschmeidig wie eine Katze in der Haustür, die vor dem enttäuschten Fremden ins Schloss fiel. Er brüllte in Richtung des Hauses – Siggi verstand kein Wort –, murmelte einen Fluch und setzte sich schwankend in Bewegung, wohl in der Hoffnung, irgendwo auf der Weidengasse oder am Eigelstein Ersatz für seine verloren gegangene Liebschaft zu finden.
    Siggi zögerte keinen Wimpernschlag. Mit keuchendem Atem rannte er los. Er musste den Geck einholen, bevor er den belebten Eigelstein erreichte. Der ahnte nichts, torkelte bedächtig, ein leises Lied summend, dass eben noch das Duo in der Kneipe geschmettert hatte. Siggi selber fühlte sich wieder völlig nu ̈ chtern und klar.
    Mit der vollen Wucht aus Siggis Lauf traf sein Stoß ihn im Nacken. Der Schönling stolperte, hielt sich am kalten Stein einer alten Hauswand halb aufrecht. Eine perfekte Position, damit Siggi ihm seine Faust aufwärts ins Gesicht schmettern konnte. Sein Nebenbuhler taumelte nach hinten. Blut schoss aus seiner Nase, der Siggi einen weiteren Schlag versetzte. Als Nächstes donnerte er seinem Gegner die Faust in den Bauch, ein letzter Hieb ließ ihn gekrümmt zu Boden sacken. Siggi beugte sich zu seinem Opfer hinab und schnappte sich mit schnellen Bewegungen die Uhr. »UKB ist für dich verboten. Und wenn du noch mal eins unserer Mädchen auch nur anguckst, bringe ich dich um.«
    Er legte sich die Uhr ums Handgelenk, dann trollte er sich, deutlich zufriedener als zuvor, in die Dunkelheit.

2
     
    Marius Sandmann wusste nicht, was ihn an seinem Gegenüber nervöser machte: das zuckende Augenlid oder das fortwährende Rascheln der Plastiktüte, die der Mann krampfhaft mit seinen unruhigen Händen festhielt.
    Immerhin musste der Privatdetektiv jetzt nicht mehr mit ansehen, wie ihm der Blick seines möglichen neuen Klienten stetig auswich. Er konnte sich stattdessen auf das Buch konzentrieren, das ihm der Mann, der sich ihm als Vinzenz Dietrich vorgestellt hatte, aufgeschlagen über den Schreibtisch schob. Mit einem dreifachen Klopfen deutete Dietrich auf das untere Schwarz-Weiß-Foto der rechten Buchseite. Es zeigte drei tanzende Pärchen, offenbar an Karneval, eines der Mädchen trug einen Zylinder, einer der Jungen ein eigentümliches Kopftuch, das ihn wie ein Pirat aussehen ließ. Marius nahm das Buch, klemmte eine Hand zwischen die Seiten und schlug es zu, um den Einband zu lesen. Dieser zeigte lediglich ein Straßenschild an einer Hauswand: ›Unter Krahnenbäumen‹. Keine Hinweise auf den Fotografen oder den Verlag. Trotzdem erkannte Marius das Buch sofort, dafür musste er nicht einmal auf den kleinen weißen Aufkleber schauen, mit dem die Kölner Stadtbibliothek ihr Eigentum kennzeichnete.
    »Chargesheimers ›Unter Krahnenbäumen‹. Schönes Buch!«, sagte er und blickte den Mann durch seine schwarze Brille fragend an. »Aber ich bin Privatdetektiv, was soll ich für Sie tun?«
    »Schauen Sie sich den Mann auf dem Foto doch einmal an!« Dietrichs Stimme hatte einen unangenehm schneidenden Unterton. Marius klappte das Buch wieder auf.
    »Welchen der drei Männer meinen Sie?«
    »Den auf dem unteren Bild! Den links!«
    »Der mit dem Kopftuch?«
    »Genau den! Schauen Sie ihn sich einmal genauer an!«
    Marius schaute von Vinzenz zu dem Mann auf dem Bild. »Interessant, Sie sehen ihm ein bisschen ähnlich.«
    Mit einem lauten Rascheln zog Dietrich ein anderes Foto aus seiner Plastiktüte und legte es neben das Buch. Es war farbig und deutlich später aufgenommen. Das karierte Holzfällerhemd, das der Junge darauf trug, war typisch für die 90er Jahre. Dennoch sah der Junge auf dem Farbfoto genauso aus wie der, den Chargesheimer
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