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Kölner Kulissen

Kölner Kulissen

Titel: Kölner Kulissen
Autoren: Sascha Pranschke
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Zwar sagt er nichts, aber sein Gesicht verrät, was er von der Gegend hält. Bis er sich auf der Zoobrücke in den Verkehr eingefädelt hat, sieht Vico aus, als könne er sich in dieser Umgebung mit jedem Atemzug eine tödliche Krankheit einfangen.
    Als Paula bemerkt, dass er nicht in ein Restaurant, sondern zu seinem Haus fährt, erklärt er, sie könnten doch erst mal bei ihm ein Glas trinken. Das Drehbuch liege sowieso noch zu Hause. Außerdem müsse sie unbedingt seinen Meese sehen.
    »Wenn du heutzutage Geld investieren willst«, doziert er, »dann steck es in Kunstwerke. Guck dir doch all die Idioten an, die sich an der Börse ruinieren. Bilder, sag ich dir! Bilder sind die besseren Aktien! Ich kann dir da ’n paar Tipps geben, wenn du willst …«
    Die Frage, wovon sie ein Gemälde eines namhaften Künstlers bezahlen soll, spart sie sich. Darauf legt er es doch nur an. Manchmal kann Vico ein richtiges Arschloch sein. Aber momentan ist er der einzige Regisseur, der ihr eine Rolle anbietet. Also lässt sie sich von ihm aus dem Wagen helfen. Und sie entzieht ihm ihren Arm auch nicht, als sie über die kiesbestreute Einfahrt zur Haustür gehen. Kaum drinnen, verschwindet Vico im Bad. Seine fahrigen Bewegungen und die Arroganz, mit der er kurz darauf das Etikett der Weinflasche präsentiert, verraten, was er im Bad getan hat. Wie eine Trophäe hält er die Flasche in der Hand. Ihr das Bild von Jonathan Meese zu zeigen hat er übers Koksen offenbar vergessen. Und auch das Drehbuch hat er, seitdem sie auf seinem Sofa sitzen, nur einmal kurz in die Hand genommen und es sofort wieder hingelegt. »Sehr begabter Autor.« Mehr hat er nicht darüber gesagt und seine Hand auf ihr Knie gelegt.
    Da liegt sie minutenlang. Hin und wieder streicheln seine Fingerkuppen ihre Haut. Sie trägt keine Strumpfhose, dafür ist es zu warm, sogar jetzt, am Abend. Und ihre Beine können sich schließlich immer noch sehen lassen. Wenigstens Vico scheint das zu erkennen.
    Deshalb würde Paula seine Hände heute auch weiter wandern lassen. Würde er sie nicht nach anderen Rollenangeboten fragen. Würde er nicht von dem Imagefilm sprechen, den ein Chemiekonzern von ihm drehen lassen wolle, und wie viel sie ihm dafür angeboten haben. Würde er nicht beteuern, dass er sich für so etwas nicht verheizen lasse. Dass er schließlich Künstler sei, kein Werbefritze. Und würde er sie nicht im nächsten Moment fragen, wie viel sie eigentlich mit der Klipp-und-klar-Werbung verdient habe.
    »Das geht dich nichts an, Vico.«
    »Ich muss doch wissen, wie hoch dein Marktwert gerade ist.«
    Marktwert. So wie er sie aus zugedröhnten Augen anstiert, findet er das wohl lustig. Paula schafft es gerade noch, tief Luft zu holen und langsam auszuatmen. Sie könnte jetzt mit gleicher Munition zurückschießen. Aber dann müsste sie sich die Rolle in Vicos Film abschminken. So gern, wie er austeilt, so schlecht kann er einstecken. Und so nachtragend ist er. Das hat sie schon immer genervt. Vicos Erwartung, man müsse ihm alles verzeihen und dürfe ihm gleichzeitig nichts vorwerfen.
    »Du sagst, der Spot läuft nur im Radio?«, fragt er. »Die haben mit dir nicht fürs Fernsehen gedreht?« Dabei beugt er sich vor, ohne seine linke Hand von ihrem nackten Knie zu lösen. Mit der rechten stellt er die Weinflasche auf den niedrigen Glastisch vor Paula.
    »Ich hab nichts darüber gesagt«, sagt sie. Dabei atmet sie erneut ein, noch tiefer als zuvor.
    »Na, jedenfalls hab ich ihn noch nicht gehört, leider. Geschirrspülmittel, oder?«
    Dazu sein überhebliches Grinsen.
    Während sie in ihrem Badezimmer noch immer den neuen Schimmelfleck an der Wand anstarrt, fragt sie sich, ob alles anders gekommen wäre, wenn Vico nicht so gegrinst hätte, während er in ihrer Wunde bohrte. Denn in diesem Moment hat sie zugeschlagen. Vielleicht wollte sie nur, dass er damit aufhört, sagt sie sich jetzt. Vielleicht wollte sie ihm das Grinsen aus dem Gesicht schlagen.
    Ihre bildlichen Erinnerungen an diesen Moment gleichen einer Kamerafahrt: Sie sieht, wie sie sich vorbeugt, nach der Flasche greift, damit ausholt, gegen seinen Schädel schlägt. Zweimal. Der erste Schlag trifft ihn an der Schläfe. Vico prallt zurück, reißt seine Hände hoch, wendet das Gesicht ab. Der zweite Schlag trifft seinen Hinterkopf. Erst jetzt stürzt er vom Sofa.
    Sie denkt an »Letzte Zweifel«, ihren dritten gemeinsamen Film, eine Hommage an die Hammett- und Chandler-Verfilmungen mit Humphrey Bogart.
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