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Kölner Kulissen

Kölner Kulissen

Titel: Kölner Kulissen
Autoren: Sascha Pranschke
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Nacht.
    Brasch wischte sich über das unrasierte Gesicht. »Ich kenne Carla nicht … aber eine Freundin hat mir mal erzählt, dass sie nach dem besten Sex ihres Lebens ihren Exmann angerufen hat, nur um ihm zu sagen: ›He, ich hatte gerade einen perfekten Orgasmus.‹ …« Er verzog den Mund. »Oh, tut mir leid, war keine gute Idee, so etwas zu sagen.«
    Schiller dachte kurz darüber nach. Würde Carla zu so etwas fähig sein? Sie hatte zwar kürzlich eine Affäre mit einem Sozialarbeiter gehabt, wie sie ihm gestanden, nein beinahe vorgeworfen hatte, aber eigentlich nur, um ihn auf die Probe zu stellen. Würde er, der ewig Abwesende, der Gedankenlose, etwas bemerken?
    »Ich würde gern ein Kind mit ihr haben, sie heiraten, eine neue Wohnung einrichten«, sagte Schiller vor sich hin. Er wunderte sich über sich selbst – all diese Dinge hatten bis vor Kurzem keine Bedeutung für ihn gehabt.
    Brasch zündete sich eine Zigarette an. »Ich liebe Sylvie«, sagte er. »Ich liebe es, zu sehen, wie sich ihre Schulterblätter bewegen, wenn sie nackt durch das Zimmer geht … Sie ist fast sechzig, aber sie hat eine Figur wie eine Fee. Und was die Musik mit ihr macht … wenn sie zu tanzen beginnt …«
    Plötzlich mussten sie beide lachen. Zwei wehmütige Männer an einem Sonntagmorgen.
    »Falls es noch eine Chance gibt, Carla zurückzugewinnen, werde ich sie nutzen«, sagte Schiller entschlossen vor sich hin.
    Dann trank er den letzten Rest Kaffee und lief zu seinem Wagen.
    Zwanzig rote Rosen, frische Brötchen, eine Flasche Rotwein, den teuersten, den er in der Tankstelle am Lindenthalgürtel finden konnte. Aber war es richtig, rote Rosen zu verschenken? Machte Carla sich überhaupt etwas aus Rosen? Vielleicht wäre eine einzige Orchidee viel angemessener gewesen. Verdammt, er kam sich beinahe wie ein Schuljunge vor, der nicht wusste, wie er sein erstes Rendezvous angehen sollte.
    Er parkte auf dem Auerbachplatz und lief die wenigen Schritte zu seinem Haus.
    Der alte Kellner aus der Pizzeria an der Ecke grüßte ihn. »Lange nicht gesehen!«, rief er.
    Schiller nickte freundlich, ohne ein Wort zu entgegnen. Früher war er mindestens einmal die Woche mit Carla bei ihm zu Gast gewesen. Früher … war ein paar Monate her. Wann genau hatten sie sich aus den Augen verloren? Schiller wusste es nicht.
    Als er klingelte, wurde ihm nicht aufgedrückt. Carla war nicht zu Hause – oder hatte sie vielleicht einen ihrer Migränetage? Hatte sie deshalb angerufen, aus falscher Not und einem kurzen Gefühl der Einsamkeit, das längst vergangen war?
    Er nahm seinen Schlüssel heraus und öffnete. Er würde die Rosen in eine Vase stellen, den Tisch für zwei decken, den Wein neben eine Kerze platzieren und wieder gehen. Damit hätte er immerhin ein Zeichen hinterlassen.
    Die Wohnung lag in der zweiten Etage, und mit jedem Schritt hatte er das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Auf der Straße herrschte eine aufgeräumte Sonntagsstimmung, doch hier lauerte etwas Düsteres, Unheimliches.
    Er hörte seine eigenen Schritte auf den Steinstufen, eine Wasserspülung irgendwo im Haus. Plötzlich meinte er zu ahnen, dass Carla ausgezogen war – mit unbekanntem Ziel. Kaum dass er bei Brasch untergekrochen war, hatte sie Köln verlassen. New York – sie träumte von einem Leben im Village, wo sie einmal bei einer Freundin sechs Wochen verbracht hatte.
    Die Tür war nicht abgesperrt, wie Carla es sonst immer tat, wenn sie die Wohnung verließ. Ein dumpfer Geruch schlug ihm entgegen. Er sah sich selbst in dem länglichen Spiegel in der Diele. Eine schattenhafte, schmale Gestalt – er hatte abgenommen. Es hatte ihn immer gestört, dass man sich selbst begegnete, wenn man die Wohnung betrat, aber Carla hatte auf diesem bodenlangen Spiegel bestanden.
    Zaghaft rief er ihren Namen, doch niemand antwortete.
    Abwesenheit atmete die Wohnung aus. Hier, sagte sie, lebt niemand mehr.
    Schiller begab sich in die Küche, die vollkommen aufgeräumt war. Er stellte die Rosen, die Brötchen und den Wein auf den Tisch. Eine benutzte Tasse stand da, der Stadtanzeiger vom Freitag daneben, ungelesen. In einer Vase verwelkte Blumen. Eine merkwürdige Anspannung erfasste ihn. Niemals hätte Carla die Blumen stehen lassen, wenn sie in den letzten Tagen in der Wohnung gewesen wäre.
    Im Wohnzimmer fand er nichts Auffälliges. Allenfalls war das schwarze Ledersofa ein wenig verrückt worden. In den Regalen schien nichts zu fehlen. Bücher, CD s, alles war
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