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Kölner Kulissen

Kölner Kulissen

Titel: Kölner Kulissen
Autoren: Sascha Pranschke
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Ich will es aber nicht glauben.«
    »Kannst du dir denn vorstellen, dass ich einen Menschen töte?«
    Anselm zögert keine Sekunde. »Nein, natürlich nicht.«
    »Na also«, sagt sie. Sie hofft, dass ihm diese Antwort genügt. »Was denkst du über das andere, was sie gesagt hat?«
    »Was meinst du?«
    »Dass ich mich wie eine arrogante Diva benehme.«
    »Die ist neidisch«, sagt Anselm. »Ihr seid im selben Alter. Ist dir aufgefallen, wie ungesund sie aussieht?«
    »Als ich ihr gesagt habe, dass sie mir leidtut … das war ernst gemeint.«
    »Wie bitte? Sie hat dich als Mörderin beschimpft. Und du sagst, sie tut dir leid?«
    »Ich glaube, wenn ich ihr unter anderen Umständen begegnet wäre, würden wir uns vielleicht gut verstehen. Zugegeben, sie wirkt ziemlich verbissen. Aber das liegt doch nur daran, dass sie ihre Arbeit ernst nimmt. Das tue ich auch.«
    »Aber du beschuldigst niemanden aus Frust, wenn es mal nicht so gut läuft«, meint Anselm.
    Nein, dann schlage ich mit Flaschen um mich, denkt Paula und beginnt zu zittern.
    »Anselm«, sagt sie, »ich weiß, wer mich fotografiert hat, als ich an dem Abend aus Vicos Haus gekommen bin.«
    Er sieht ihr ins Gesicht.
    »Es war Vincent Wallenstein«, sagt sie.
    »Der Mann, der am Freitag erstochen wurde?«
    Sie nickt. »Ich hab dir schon neulich von Vincent erzählt.«
    »Der Journalist, der dich wegen eines Artikels interviewen wollte?«
    »Genau, über das deutsche Kino seit den neunziger Jahren. Darüber habe ich bei ihm allerdings nichts gefunden.«
    »Du warst bei ihm?«
    »Ich hab sogar mit ihm geschlafen.«
    Für einen Moment sagt Anselm nichts. Paula nutzt sein Schweigen, um so weiterzuerzählen, wie sie sich die Geschichte für ihn zurechtgelegt hat. Als Vincent eingeschlafen sei, habe sie in seinem Bücherregal gestöbert. Dabei sei ihr ein Karton mit Fotos in die Hände gefallen. Und auf sämtlichen Fotos sei sie selbst zu sehen gewesen. Keine Pressefotos, sondern alles Aufnahmen, die heimlich von ihr gemacht worden seien: im Supermarkt, in Restaurants, im Fitnessstudio …
    »Der Typ hat dich verfolgt?«
    »Und ich hab ihn zur Rede gestellt. Er hat zugegeben, dass er auch das Foto vor Vicos Haus gemacht hat.«
    »Und dann hat er dich damit erpresst?«
    »Nicht sofort. Aber als ich gesagt hab, dass ich ihn nie wieder sehen will, hat er mir gedroht. Er hat gesagt, er würde das Foto der Polizei schicken, wenn ich mich nicht weiterhin mit ihm treffe.«
    »Und hast du das getan?«
    »Nein. Ich hab nicht geglaubt, dass er seine Drohung wahr machen würde.«
    »Was ist mit der Geldforderung, von der du mir neulich erzählt hast?«
    »Die kam danach. Deshalb hab ich auch nicht damit gerechnet, dass er das Foto tatsächlich noch zur Polizei schicken würde. Nachdem er schon einmal eingeknickt war.«
    »Aber jetzt glaubst du, er hat es doch getan, weil du nicht gezahlt hast? Aus verletztem Stolz?«
    »Anders kann ich mir die absurden Beschuldigungen der Kommissarin nicht erklären.«
    Anselm steht auf, zieht sein Sakko aus und wirft es wütend über die Lehne der Bank. »Warum hast du mir neulich nur die halbe Geschichte erzählt?«
    Sie greift in ihren schauspielerischen Werkzeugkoffer und lässt eine Träne über ihre Wange rinnen. Und dabei schämt sie sich unendlich dafür, Anselm diesen Bären aufzubinden. Aber soll sie ihm etwa sagen, was sie getan hat? Sie fürchtet sich viel zu sehr vor seiner Reaktion, wenn er die Wahrheit erfahren sollte. In den letzten Tagen ist ihr klar geworden, dass Anselm neben Konstantin der wichtigste Mensch in ihrem Leben ist.
    »Es war mir … so peinlich«, sagt sie.
    Anselm setzt sich wieder neben sie, wischt ihr die Träne von der Wange und nimmt sie in den Arm. Ob er ihr die Geschichte glaubt? Sie weiß ja, dass sie schwer zu schlucken ist. Zumal sie selbst keine Ahnung hat, was tatsächlich in Vincent vorgegangen ist. Ein Teil ihrer Geschichte mag sogar stimmen. Vielleicht ist Vincent ihr heimlich gefolgt, um sie zu fotografieren und sich an den Bildern aufzugeilen. Warum sonst hätte er vor zwei Wochen spätabends vor Vicos Haus herumstehen sollen? Und vielleicht hat er, nachdem er von Vicos Tod erfahren hatte, einfach die Chance gesehen, nebenbei ein wenig Geld zu verdienen.
    »Und warum«, nimmt Anselm den Faden wieder auf, »wird dieser Vincent dann am Freitag erstochen?«
    »Das weiß ich so wenig wie du«, sagt sie. »Ich war es jedenfalls nicht. Du hast gehört, was der Kommissar gesagt hat: Vincent ist eine halbe
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