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Kölner Kulissen

Kölner Kulissen

Titel: Kölner Kulissen
Autoren: Sascha Pranschke
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Auto stehen lassen und sie zu Fuß zur Haltestelle und mit der U-Bahn ins Agnesviertel verfolgt. Dort hat sie beobachtet, wie sich die Schauspielerin Zutritt zu dem Haus verschafft hat, in dem Vincent Wallenstein wohnte.
    Weder Benrath noch Weyrauch wissen etwas von ihrem Alleingang. Um halb acht hat sie sich krankgemeldet. Es geht ihr nicht mehr darum, die Kollegen davon zu überzeugen, dass Paula Farkas hinter den Morden steckt. Sie will nur noch sich selbst überzeugen. Und sie will verstehen. Sie will begreifen, warum Paula Farkas die Schuld am Tod dreier Menschen auf sich geladen hat.
    Und jetzt steht sie dieser Frau gegenüber und weiß nicht, was sie noch sagen soll. Es scheint, als wäre mit ihrem einen Satz alles gesagt: Sie wusste, dass es noch nicht vorbei war. Dass Paula Farkas noch irgendeinen Fehler, eine Unvorsichtigkeit begehen würde. Dass sie vielleicht versuchen würde, eine Spur zu beseitigen. Aber was nun, da sie ihren Verdacht bestätigt sieht, passieren soll, weiß sie nicht. Die Schauspielerin in Handschellen legen? Das kommt ihr albern vor. So wie sie Hanna ansieht, scheint sie jegliche Hoffnung verlassen zu haben. Ja, Hanna hat ihr im letzten Moment einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber soll sie deshalb die Kollegen anrufen und ihren Triumph auskosten? Dadurch würde sie noch immer nichts begreifen. Nein, sie will, dass Paula Farkas ihr verdammt noch mal erklärt, was eigentlich passiert ist und warum sie diesen ganzen Mist angestellt hat.
    Erst jetzt fällt Hannas Blick auf den Laptop. Auf dem Monitor erkennt sie Paula Farkas in einem eleganten Kleid. Der korpulente Mann neben ihr könnte Vico Cramer sein.
    »Ist das Cramer dort neben Ihnen auf dem Foto?«, fragt sie.
    Paula Farkas nickt.
    »Warum hatte Vincent Wallenstein ein Foto von Ihnen beiden auf seinem Rechner?«
    »Da sind noch viel mehr Fotos.« Die Stimme der Schauspielerin klingt dünn. Sie atmet flach und hat den Blick zu Boden gesenkt. Ihr ist nun klar, dass sie verloren hat.
    »Hat Wallenstein Sie beobachtet?«, fragt Hanna.
    »Es sieht so aus.«
    »Musste er deshalb sterben?«
    Paula Farkas atmet einmal tief ein und wieder aus. »Das lässt sich nicht mit einem Satz erklären«, sagt sie.
    »Ich habe Zeit. Erzählen Sie«, fordert Hanna sie auf.
    Da hebt die Schauspielerin den Blick und sieht ihr in die Augen. Und Hanna wird überrascht von einem Gefühl, das an Mitleid erinnert. Die Frau, die ihr dort mit gekrümmtem Rücken gegenübersitzt, wirkt nicht wie eine kaltblütige Mörderin. Hanna fragt sich, ob sie ihr Verhalten irgendwann wird nachvollziehen können. Nicht, ob sie es gutheißen wird. Aber begreifen, warum es so kommen musste.
    »Später hab ich mich gefragt, wie ich so ruhig bleiben konnte«, beginnt Paula Farkas.
    »Was meinen Sie?«, fragt Hanna. »Wann sind Sie ruhig geblieben?«
    »Als Vico plötzlich vor mir lag. Ich hab nur gedacht: Er ist tot. Und du kannst nichts mehr daran ändern.«
    »Erzählen Sie«, wiederholt Hanna.
    Als Paula nicht mehr weiterredet, fällt schon das Licht der Abendsonne durch Vincents Fenster auf die beiden Frauen. Stimmengewirr dringt von den Cafés auf der Neusser Straße zu ihnen herauf. Ein paar ungeduldige Autofahrer liefern sich einen Wettstreit darum, wer die lauteste Hupe besitzt.
    »Ich kann nicht behaupten, dass ich alles verstehe«, sagt die Kommissarin. Sie klingt, als hätte sie einen trockenen Hals.
    Auch Paula ist durstig. »Da haben wir etwas gemeinsam«, sagt sie.
    Hanna Sydow schaut sich um, lässt ihren Blick über Vincents wenige Möbel schweifen. »Scheint so, als hätte Wallenstein gern die Übersicht behalten«, sagt sie.
    Paula bestätigt das. »Ich hatte auch das Gefühl, dass er immer alles sauber und in Ordnung halten musste.«
    »Sie haben erwähnt, dass er keinen Alkohol trank, oder?«
    »Zumindest nicht, wenn wir zusammen waren. Und das war ja nicht besonders oft.«
    »Ich bezweifle, dass er bei anderen Gelegenheiten getrunken hat«, meint die Kommissarin. »Das würde zu ihm passen, unter keinen Umständen die Kontrolle zu verlieren.«
    »Da haben Sie recht. Aber ist das jetzt nicht egal?«
    Paula versteht nicht, warum die Kommissarin noch Fragen stellt. Schließlich hat sie ihr in den vergangenen Stunden alles erzählt. Hat gestanden, dass Vico durch ihre Hand gestorben ist. Dass sie Julia gebeten hat, ihr beim Verkauf des Kokains zu helfen, was ihre Freundin das Leben gekostet hat. Und dass sie den Tod ihres Erpressers in Kauf genommen hat,
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