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Kölner Kulissen

Kölner Kulissen

Titel: Kölner Kulissen
Autoren: Sascha Pranschke
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stolpert beinahe. Dabei gibt es hier kaum mehr zu sehen als übermannshohe Koniferen. In regelmäßigen Abständen säumen sie beide Seiten der Auffahrt.
    »Die hab ich auch im Garten«, unterbricht Weyrauch sein Schweigen. »Nur ein bisschen kleiner.«
    »Und nicht ganz so viele, wenn ich mich richtig erinnere.«
    Weyrauch nickt stumm.
    Sie steigen die Stufen zum Eingang hinauf. In der mit buntem Glas verzierten Eichentür erwartet sie Piontek von der Spurensicherung.
    »Wir haben uns eben den falschen Beruf ausgesucht, Lothar.« Hanna grüßt Piontek mit einem Kopfnicken.
    »Wieso, womit verdient der Hausherr denn sein Geld?«, fragt Weyrauch.
    »Verdiente«, sagt Piontek mit Betonung auf der letzten Silbe. »Imperfekt. Der werte Hausherr weilt nicht mehr unter uns.«
    Beim Anblick der Treppe bleiben Hanna und Weyrauch unwillkürlich stehen. In einem weiten Bogen führt sie von der Eingangshalle zu einer Galerie im ersten Stock. Hier unten stehen lediglich ein Tisch auf geschwungenen Beinen und zwei Stühle mit geblümten Bezügen. Die Leere der Eingangshalle betont die Ausmaße der Treppe.
    Weyrauch findet die einzig angemessenen Worte für diesen Anblick: »Leck mich am Arsch! So was hab ich bisher nur im Kino gesehen. In ›Vom Winde verweht‹, glaub ich. Oder ›Sissi‹.«
    »Was du dir so anguckst …«, sagt Hanna.
    »Womit wir bei der Antwort auf deine Frage wären.« Piontek zieht die Handschuhe über den Gelenken straff. Mit seiner Glatze, seiner gewählten Ausdrucksweise und den weißen Handschuhen wirkt er in dieser Umgebung fast wie ein Butler. Wären die Handschuhe nicht aus Gummi.
    »Welche Frage?«
    »Nach dem Beruf des Verblichenen. Er war Filmregisseur.«
    »Na, wäre das keine berufliche Alternative, Lothar?« Hanna hat den Kopf in den Nacken gelegt. Sie betrachtet die Galerie, die drei Seiten der Eingangshalle umschließt.
    »Und ob. Dann würden endlich alle machen, was ich sage.«
    »Oder jemand zieht dir eins über den Schädel«, sagt Piontek. »So wie Vico Cramer.«
    »Wer?«
    Piontek verdreht die Augen und sieht Hanna an. »Erklärst du es ihm?«
    »Ich vermute, Max spricht von unserer Kundschaft«, sagt Hanna und löst ihren Blick von der Galerie.
    »Vico Cramer?« Weyrauch legt die Stirn in Falten. »Nie gehört. Dabei gehe ich oft ins Kino. Was hat er denn gedreht?«
    »›Sonnenwende‹, den hast du bestimmt gesehen.«
    »Klingt nach einem Frauenfilm.«
    »Das muss so Ende der Neunziger gewesen sein«, sagt Piontek. »Cramer war damals ein neuer Stern am Firmament des jungen deutschen Films.«
    »Hat er nicht auch Krimis gedreht?«, fragt Hanna.
    »Einen einzigen, eine mittelmäßige Sam-Spade-Neuauflage.«
    »Deswegen kenne ich ihn auch nicht«, sagt Weyrauch. »Ich sehe mir nur erstklassige Filme an. Und Krimis sowieso nicht. Wo ist er denn?«
    »Im ersten Stock. Ich bring euch rauf.«
    Oben sind Pionteks Kollegen in ihre Arbeit vertieft. In ihren weißen Anzügen wirken sie auf Hanna wie verirrte Astronauten. Sie sammeln Proben und nehmen den unbekannten Planeten Tatort gründlich unter die Lupe. An drei Wänden des Raums stehen Bücherregale. Eine breite Fensterfront bildet die vierte Wand. Eine Glastür führt auf den Balkon. Sie ist einen Spalt weit geöffnet, in der Zugluft bauschen sich die weißen Vorhänge. Dahinter steht eine dunkelhaarige Frau und raucht. Die Arme vor der Brust verschränkt wendet sie den Beamten den Rücken zu und sieht in den Garten hinunter.
    Die Mitte des Raums beherrscht ein ausladendes Sofa mit Wildlederbezug. Daneben ein dazu passender Sessel und ein niedriger Tisch aus Stahlrohr mit einer Glasplatte darauf. Durch die Glasplatte sieht Hanna ein Paar Beine. Das riesige Sofa verbirgt den Oberkörper der Leiche. Hanna geht um das Monstrum herum und streicht mit den Fingerspitzen über seinen Wildlederbezug. Weyrauch hat sich bereits neben den Toten gekniet.
    »Wann ist es passiert, Max?«, fragt er.
    »Gestern am späten Abend.«
    »Genauer kannst du es nicht sagen?«
    »Nicht bevor ich ihn auf dem Tisch hatte.«
    Weyrauch seufzt. »Immer das Gleiche mit dir.«
    Hanna sieht ihm über die Schulter. Der Tote liegt auf dem Bauch. Sein dünnes Haar ist im Nacken zu einem dunklen Pferdeschwanz gebunden. Am Hinterkopf klebt verkrustetes Blut.
    »Nur ein Schlag?«, fragt sie.
    »Zwei«, korrigiert Piontek. »Einer gegen die Schläfe, einer auf den Hinterkopf. Letzterer war vermutlich der tödliche.«
    »Womit?«
    »Leute, lasst mich den Mann doch erst mal in
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