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Kölner Kulissen

Kölner Kulissen

Titel: Kölner Kulissen
Autoren: Sascha Pranschke
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Sonntagmittag, der Kinofilm am Sonntagabend …
    Nach Weyrauchs Monologen glaubt Hanna, seine Familie besser zu kennen als ihre eigene. Es wäre ihr unangenehm, würde er sich danach erkundigen. Sie hätte nicht viel zu erzählen. Doch zum Glück kommt er nie auf die Idee zu fragen. Weyrauchs Mitteilungsbedürfnis geht Hand in Hand mit seinem Desinteresse am Leben anderer Menschen. Es sei denn, dieses Leben wurde gewaltsam beendet.
    Mit seinem heutigen Vortrag übertritt Weyrauch eine weitere Grenze der Privatsphäre und des guten Geschmacks. Seit zehn Minuten erzählt er von der Endoskopie, die er am Freitagnachmittag hat vornehmen lassen. Der Grund dafür seien höllische Schmerzen beim Stuhlgang gewesen, sagt er. Während Hanna den Dienstwagen in Richtung Severinsbrücke steuert, erzählt Weyrauch von seinem Arzt.
    »Und ich sag’s noch mal, Hanna, dieser Dr.   Funke hat goldene Hände. Und einen goldenen Humor. Er hätte schon Hunderte Arschlöcher gesehen, sagt er – und viele wären hübscher als die Gesichter ihrer Besitzer. Haha!«
    »Weiß er, dass du Polizist bist?«
    »Natürlich.«
    »Dann sollte ihm klar sein, dass auch du Experte für Arschlöcher bist.«
    »Genau das hab ich auch gesagt. Hanna, du zeigst Humor? Bist du krank?«
    »Ist vielleicht ’ne ansteckende Krankheit«, sagt sie und beantwortet das Hupen ihres Hintermannes, indem sie ihm im Spiegel den Mittelfinger zeigt.
    »Dr.   Funke sagt«, setzt Weyrauch seinen Bericht fort, »der Darm spiegelt die Seele des Menschen.«
    »Dann kann er uns ja bei unseren Ermittlungen helfen. Vergiss Fingerabdrücke und Speichelproben – ein Blick in den Enddarm, und die Täter sind überführt.«
    »Genau. Dr.   Funke erkennt ihre schwarzen Seelen. Haha!«
    »Jetzt wird’s ekelhaft.«
    »War doch deine Idee.«
    Anstatt zu antworten, drückt sie auf die Hupe. Einfach so, drei, vier Sekunden lang. Manchmal braucht sie das, und im Stau fällt es nicht auf.
    »Im Ernst, Dr.   Funke sagt, der Darm ist unser emotionales Zentrum.«
    »Und davon hat er dir was weggeschnitten? Lothar, jetzt mache ich mir aber Sorgen um dich.«
    »Ach, der kleine Polyp … Nichts hab ich gemerkt, rein gar nichts. Hinterher direkt nach Hause. Ich sage doch, dieser Dr.   Funke hat goldene Hände.«
    »Hauptsache, er hat dir geholfen.«
    »Und ob. Seit Samstag läuft wieder alles wie geschmiert.«
    Hanna seufzt. »Gratulation.«
    »Ich kann dir Dr.   Funkes Telefonnummer geben …«
    »Nicht nötig, danke.«
    »Dein emotionales Zentrum …«
    »Lothar! Hab ich vielleicht emotionale Probleme?«
    »Nein … Ich meine nur … Warum schreist du denn so?«
    »Und wenn ich emotionale Probleme hätte, würde ich damit bestimmt nicht zu deinem Darm-Doktor gehen! Kapiert?«
    Für zwanzig Sekunden herrscht Stille im Wagen. Ein Kollege in Grün leitet den Verkehr an einem Auffahrunfall vorbei in Richtung Rhein. Auf der Severinsbrücke stehen endlich wieder zwei Spuren zur Verfügung. Hanna lenkt den Wagen auf die linke Spur und tritt aufs Gaspedal.
    Mehr zu sich selbst als zu Hanna sagt Weyrauch: »Aber er ist ein verdammtes Genie, dieser Doktor! Mehr wollte ich gar nicht sagen.«
    Dafür bringt ihn das Thema Verdauung auf den Krautsalat seiner Schwiegermutter. Hanna hört nicht weiter zu und biegt ab, um am Rheinufer entlang nach Süden zu fahren. Abschalten hat sie während der vergangenen Dienstjahre gelernt. Wenigstens bei Weyrauch.
    Unter den Ulmen heißt die Straße, in der die Villa des Mordopfers steht. Hanna parkt den Passat unter einem Baum. Sie hat keine Ahnung, ob das eine Ulme ist. Sie selbst wohnt seit sechs Jahren an der Äußeren Kanalstraße. Bis heute hat sie dort keinen Kanal entdeckt. Die Bäume lassen ihre regenschweren Äste tief über eine gewaltige Mauer hängen. In die Oberseite der Mauer sind Glasscherben einbetoniert. Ein paar Schritte weiter, und Hanna und Weyrauch stehen vor einem schmiedeeisernen Tor. Durch die Gitterstäbe sieht sie eine kiesbestreute, gut zwanzig Meter lange Auffahrt. Am Ende des Weges steht eine ockergelbe drei Stockwerke hohe Jugendstilvilla.
    Weyrauch zieht an einem in die Mauer eingelassenen Haken. Aus einem unsichtbaren Lautsprecher krächzt Pionteks Stimme:
    »Ja?«
    »Wir sind’s, Hanna und Lothar.«
    Ein tiefer Summton, und die Torflügel schwingen zu beiden Seiten auf. Der Kies knirscht unter Hannas Schuhen. Sie nimmt das Geräusch nur wahr, weil Weyrauch zu sprechen aufgehört hat. Er wendet den Kopf von rechts nach links und
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