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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kutscher?« fragte der Graf.
    »Ja, vom Bahnhof.«
    »Sie haben ihn nicht weggeschickt?«
    »Ich dachte, Herr Graf …«
    »Aber Kochlowsky! Es ist doch selbstverständlich, daß Sie ein Fahrer der Ziegelei zurückbringt. Sie gehören doch jetzt zu Amalienburg.« Der Graf winkte dem Wurzener zu, und wie es sich gehörte für einen einfachen Mann, blieb der Kutscher sofort stehen und nahm Haltung an. Man war schließlich mal Unteroffizier gewesen, hatte bei Sedan 1870 mit der blanken Waffe gestürmt und mitgeholfen, Kaiser Napoleon III. zu besiegen.
    »Zu Befehl, Herr Graf!« brüllte der Kutscher, noch ehe ein Wort gesprochen war.
    »Lassen Sie sich vom Rentmeister Ihren Fuhrlohn geben«, sagte Douglas jovial. »Sie sind entlassen. Waren Sie mit ihm zufrieden, Kochlowsky?«
    »Sein Pferd hat die Gicht«, meinte Kochlowsky genußvoll.
    Graf Douglas lachte laut, klopfte Leo auf die Schulter und ging mit ihm hinüber zur gräflichen Kutsche.
    Der Bahnhofskutscher wartete, bis sie die Auffahrt hinuntergerasselt waren, dann trat er zu Emil Luther, der steif wie immer an der Tür stand.
    »Wer war denn das?« fragte er.
    »Er heißt Leo Kochlowsky.«
    »Der frißt wohl Nägel zum Frühstück, was? Ein Freund des Herrn Grafen?«
    »Freund?« Emil Luther zog die Mundwinkel etwas herab. »Der neue Verwalter der Ziegelei …«
    »Ach!« Der Kutscher starrte der gräflichen Kutsche nach, die in schneller Fahrt durch die Pappelallee entschwand. »Na, so was! Auch nur 'n Angestellter – und spuckt um sich wie ein von und zu Hinternbreit! Den merk' ich mir, Emil. Laß den erst mal in Wurzen wohnen …«
    Es deutete bereits alles darauf hin, daß auch Wurzen nicht das ruhige Plätzchen werden würde, das sich Kochlowsky wünschte und das vor allem sein kleines Frauchen Sophie herbeisehnte. Aber wen wundert's? Wo ein Kochlowsky einmal auftritt, hinterläßt er unverwischbar seine Spur.

III
    Die Ziegeleien, zwei nebeneinander, waren so etwas wie Musterbetriebe. In der Formhalle arbeiteten dreißig Männer an den Ziegelschneidern, Mädchen in blauen Kitteln stapelten die Rohlinge auf flachen Wagen. Zwei riesige Kastenbeschicker gaben den Rohton von draußen, von den Wagen mit den schweren Kaltblütern davor, zum Mahlgang – Kollergang genannt – weiter, von wo er dann in das knirschende Walzwerk lief und durch einen Doppelwellenmischer zur Strangpresse gedrückt wurde. Hier quoll der Ton als dicke Wurst durch ein Mundstück und wurde dann von den Ziegelschneidern in Empfang genommen.
    »Wir haben hier die modernsten Anlagen, die es gibt«, erklärte Graf Douglas stolz. »Sie werden mit den technischen Dingen schnell vertraut sein, Kochlowsky. Außerdem wird Sie Ihr Kollege Langenbach beraten, er arbeitet hier seit seinem vierzehnten Lebensjahr. Vom Lehrling zum Geschäftsführer, ein tüchtiger Mann.«
    »Ich habe als Kind in der Ziegelei gespielt.« Kochlowsky blickte durch die weite Halle. »Zwischen Rohton und Brennofen war mein Spielplatz. Mein Vater war Buchhalter der Ziegelei in Nikolai. Ich bin mit Ziegeln aufgewachsen …«
    »Dann sind Sie ja hier goldrichtig!« Graf Douglas verabschiedete sich von Kochlowsky, als der Erste Verwalter Leopold Langenbach aus dem Büro erschien, gefolgt von einem kleinen, dicken, fast kugelrunden Männlein, der einen randlosen Kneifer auf der Nase balancierte und unter chronischem Schnupfen litt. In Abständen von etwa zehn Sekunden schnufte er immer auf – seine Umgebung hatte sich daran gewöhnt. Es war der Erste Buchhalter Theodor Plumps, Vater von zehn Kindern, woran man erkennen kann, daß ein chronischer Schnupfen nicht hinderlich zu sein braucht.
    Leo Kochlowsky wurde den Herren noch vorgestellt, dann entfernte sich der Graf.
    »Ich freue mich, daß Sie hier eintreten, Herr Kochlowsky, und mich etwas entlasten«, sagte Leopold Langenbach kameradschaftlich zur Begrüßung. »Wir wollen vergrößern. Der wirtschaftliche Aufschwung im Reich ist grandios, überall schießen die Bauten aus der Erde, neue Fabriken mit ganz neuen Techniken entstehen … unser Sieg über die Franzosen 1871 wird sich noch über Generationen auswirken! Und was braucht man vor allem? Ziegel, Ziegel, Ziegel! Kein Aufbau ohne Ziegel! Ich bin wirklich froh, in Ihnen eine Hilfe zu bekommen …«
    Leo Kochlowsky schwieg. Hier muß ein Irrtum vorliegen, dachte er und spürte, wie ihm das Blut in die Schläfen stieg. Nur Ruhe, Leo, Ruhe! Denk an Sophie, dein kleines Frauchen. Aber bei allen Versprechungen, mein
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