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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Kutscher die Peitsche knallen. Der Pferdewagen knirschte durch den Sand davon, und Kochlowsky ließ sich tief in den Sitz zurücksinken.
    »Das war er also …«, sagte Theodor Plumps fast entsetzt und schnufte laut auf. »Mein Gott …«
    »Mit dem werden wir noch viel Spaß haben!« Leopold Langenbach hob zögernd die Hand und winkte. »Es ist das erstemal, daß ich eine Entscheidung des Grafen nicht verstehe …«
    Nach einer Weile hatte sich der Kutscher wieder gefaßt. Er drehte sich zu Kochlowsky um und nahm im Sitzen eine stramme Haltung ein.
    »Der Herr Graf hat mich für Sie abkommandiert!« sagte er militärisch abgehackt. »Erste Station: das Haus besichtigen; zweite Station: Rundfahrt durch Wurzen; dritte Station: abliefern am Bahnhof.«
    »Sie haben das Wichtigste vergessen. Ich kann mir nichts durch die Rippen schwitzen.«
    »Jawohl, Herr Kochlowsky!«
    Damit war die Unterhaltung auch schon beendet. Ein widerlicher Kerl, dachte der Kutscher, vornehm wie alle Bediensteten des Grafen Douglas, gedrillt vom Stallmeister Baron von Üxdorf, der jeden nur in der dritten Person ansprach: »Komm er mal her … bring er mal den Hafer in Box drei …« Aber das wußte Kochlowsky noch nicht: Die Begegnung mit Baron Üxdorf stand noch aus.
    Das Haus, das man der Familie Kochlowsky zugedacht hatte, lag in einem herrlichen, lichten Waldstück zwischen Wurzen und der Ziegelei. Es war ein richtiges Puppenhaus mit rotem Ziegeldach, grünen Fensterläden, weißen Fensterrahmen, sonnigen Zimmern, einem Garten mit Rosenhecken und Obstbäumen, alles umgeben von einem weißlackierten Zaun, ein kleines Reich für sich. Ein Gemüsebeet war angelegt, es gab eine knorrige Gartenbank, und am Ende des Grundstücks befand sich ein Stall, in dem man Kleinvieh und ein Schwein halten konnte.
    Zum erstenmal, seit er in Wurzen war, spürte Kochlowsky so etwas wie Freude und Wohlbehagen. Er schritt Meter um Meter im Haus und auf dem Grundstück ab, setzte sich auf die Bank und schaute über die Wiese zwischen Beet und Haus, dort, wo einmal seine Kinder spielen würden und Sophie, sein kleines, geliebtes Frauchen, die Wäsche zum Trocknen aufhängen konnte.
    So habe ich mir das gewünscht, dachte er. So soll es auch werden. Vergessen wir Pleß, und fangen wir an, Wurzen zu lieben. Es wird anfangs zwar noch manchen Krach geben, aber einen Streit hatte Kochlowsky bisher immer noch gewonnen. Nur eines wurmte ihn, und er beschloß, mit Sophie nicht darüber zu reden: Daß er nur ein Stellvertreter war. Ein zweiter Mann! Er hatte einen unmittelbaren Vorgesetzten. So etwas muß man erst ertragen lernen, daran gewöhnen wird man sich nie.
    Am späten Abend stieg er in den Zug nach Dresden, um dort in den Schnellzug nach Görlitz und Breslau umzusteigen. In die Ecke des Abteils gedrückt, schlief er sehr unruhig, bekam gegen drei Uhr morgens unweigerlich Krach mit einem Mitreisenden, der sich beschwerte, Leo Kochlowsky würde schnarchen, worauf dieser zurückbrüllte: »Und wer soll Ihr Stinken ertragen?« Ungeachtet dieses Zwischenfalls träumte er von seinem Schatzel. Sophie, von seinem kleinen, hübschen Frauchen und dem Kind, das sie unter dem Herzen trug. Sein Kind! Ein neuer Kochlowsky! Er lächelte im Schlaf, schnarchte dabei und hörte so nicht, wie sein Nachbar giftig sagte: »Man sollte ihm wirklich eine runterhauen!«

IV
    Dieser Besuch war am 5. Mai 1889 gewesen, und es ist für die kommenden Ereignisse wichtig zu wissen, wie sich Leo Kochlowsky in Wurzen eingeführt hatte.
    Am 20. Mai heirateten das Mamsellchen Sophie Rinne und Leo Kochlowsky in der evangelischen Kirche zu Pleß. Am 10. Juni fuhren sie nach Wurzen, ihre neue Heimat, aber sie mußten dort in einem Gasthaus wohnen, weil der Möbelwagen aus Pleß erst am 15. Juni eintraf, was natürlich einen riesigen Streit hervorrief. Die Möbelpacker weigerten sich, die Möbel auszuladen, erst mußte sich Kochlowsky entschuldigen, denn ›Mistböcke‹ und ›Rotzkerle‹ seien nun mal Beleidigungen, auch wenn man einiges gewöhnt war. Nur dem hilfreich herbeigeeilten Langenbach – ausgerechnet ihm – gelang es, die Möbelpacker mit drei Flaschen besten Kümmelschnaps zu besänftigen und das Haus einzurichten.
    Und dann war am 21. November 1889 das Kind gekommen. Ein Mädchen. Wanda Eugenie Emma. Es wurde im Schlafzimmer geboren. Kochlowsky hörte Sophies Stöhnen und heiseres Schreien bis hinunter zur Gartenbank, wohin er geflüchtet war und nun zitternd vor Kälte hockte, und
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