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Knochenfunde

Knochenfunde

Titel: Knochenfunde
Autoren: Iris Johansen
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hinunter.
    »Ich hoffe, alles ist in Ordnung, Joe.«
    »Ich auch.« Er machte sich auf den Weg in Richtung Hügel. »Ich auch…«
    Eve stand vor dem Grab und betrachtete den Grabstein.
    »Eve?«
    Sie sah ihn nicht an. »Da sind immer noch Spuren von der roten Farbe zu sehen. Ich dachte, wir hätten alles abgewischt. «
    »Ich kümmere mich morgen darum.«
    »Nein, es spielt keine Rolle.«
    Schweigen.
    »Warum bist du hier, Eve?«
    »Ich musste einen klaren Kopf bekommen. Ich hatte das Gefühl, dass ich das hier am besten könnte.«
    »Es muss wehtun, diesen Grabstein zu sehen.«
    »Natürlich tut es das.«
    »Und es macht dich noch wütender auf mich.«
    »Ein bisschen.«
    »Nur ein bisschen?«
    Eve wandte sich ihm zu. »Ich versuche, ehrlich zu dir zu sein.
    Galen hat heute angerufen. Er ist in Barbados.«
    »Und was macht er da?«
    »Er vermutet, dass Bently seinen eigenen Tod inszeniert hat. Er sieht sich um.« Sie musterte sein Gesicht. »Du wunderst dich nicht?«
    »Mir war die Möglichkeit auch schon in den Sinn gekommen, ich war in Versuchung, in die Karibik zu fliegen und die Gegend ein bisschen zu erkunden. Aber dann habe ich mir gesagt, dass meine Prioritäten hier liegen.«
    »Galen meint, selbst wenn Bently noch lebt, stellt er für uns keine Gefahr mehr dar.« Sie schluckte. »Und er hat mir geraten, mein Leben in den Griff zu bekommen.«
    »Und was hast du ihm geantwortet?«
    »Ich bin nicht dazu gekommen, ihm eine Antwort zu geben.« Eve schaute wieder auf den Grabstein hinunter. »Aber es hat mich nachdenklich gemacht. Und dann ist mir etwas eingefallen, was Jane gesagt hat, als sie versuchte, mir klarzumachen, dass ich mich nicht länger verstecken dürfe.
    Sie sagte, alles würde mir in die Quere kommen und mich ver gessen lassen, wer ich bin und was ich tue. Auch das hat mich nachdenklich gemacht. Ich renne im Kreis, verletzt und so auf Abwehr bedacht, dass ich alles andere verdränge.«
    »Wer sollte dir deswegen einen Vorwurf machen?«
    »Ich mache mir selbst Vorwürfe«, erwiderte sie heftig. »Ich fühle mich so sehr als Opfer, dass ich vergessen habe, wer ich bin und was ich zu tun habe.« Sie zeigte auf den Grabstein. »Ich habe immer nur an Bonnie gedacht. Ich habe nie an das kleine Mädchen gedacht, das wir hier an ihrer Stelle begraben haben. Sie ist auch eine der Verlorenen, und ich habe noch nicht einmal einen Gedanken an sie verschwendet.«
    »Niemand kann von dir erwarten – «
    »Quatsch. Ich habe vor fahren beschlossen, wenigstens den Eltern anderer verlorener und ermordeter Kinder zu helfen, wenn ich Bonnie schon nicht helfen kann. Jahrelang habe ich mich dieser Aufgabe gewidmet, und doch habe ich mich immer wieder ablenken lassen, weil ich so voller Selbstmitleid war. Das kleine Mädchen, das hier begraben liegt, war ungefähr genauso alt wie Bonnie. Sie hatte ein ganzes Leben vor sich, und es wurde ihr genommen.« Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. »Und ich habe nie an sie gedacht. Ich hatte kein Recht, so egoistisch zu sein, bloß weil ich Kummer hatte.«
    »Du warst nicht egoistisch. Wenn du unbedingt jemandem die  Schuld geben musst, dann gib sie mir.«
    »Ich bin es leid, dir die Schuld zu geben.«
    Joe lächelte. »Dann werde ich dich nicht dazu drängen, es weiterhin zu tun. Ich weiß es zu schätzen, wenn man mir eine Atempause gönnt.« Sein Lächeln verschwand, als sein Blick auf den Grabstein fiel. »Also, warum wolltest du, dass ich hier raufkomme?«
    »Weil ich wissen wollte, wie ich mich fühlen würde, wenn ich mit dir hier stehe.«
    Er straffte sich. »Und, wie fühlst du dich?«
    »Traurig. Verwundet.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Es bedeutet, dass du einen Fehler gemacht hast, der mich sehr verletzt hat. Es bedeutet, dass ich auch einige Fehler gemacht habe.
    Es bedeutet, dass ich meinen Schmerz überwinden muss und dass das eine Weile dauern wird.« Ihre Blicke trafen sich. »Aber ich möchte es nicht allein tun. Ich möchte dich an meiner Seite. Ob es wehtut oder nicht, ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen.«
    »Halleluja«, flüsterte er.
    »Ich verspreche dir nicht, dass alles so sein wird wie früher. Aber andererseits hast du ja gesagt, dass du das vielleicht gar nicht möchtest.«
    »Ich hätte es akzeptiert.« Joe trat einen Schritt näher auf sie zu, berührte sie jedoch nicht. »Sag mir, was du von mir erwartest.«
    »Ich möchte, dass du dieses kleine Mädchen exhumieren lässt.
    Ich werde ihr Gesicht rekonstruieren. Und dann
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