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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder
Autoren: Melanie Lahmer
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Lorenz zu und lief in den Stollengang zurück, aus dem sie vor wenigen Minuten gekommen waren. Er bückte sich, hielt den Kopf nach unten und rannte, so schnell es in dieser Haltung möglich war.
    Diesmal kam er deutlich schneller voran als auf dem Hinweg; denn nun kannte er den Weg und wusste, was ihn im Gang erwartete: Finsternis und hartes Felsgestein.
    Als er endlich am Ende des Tunnels Licht sah, nahm er seine Stirnlampe ab und blinkte drei Mal damit: das verabredete Lichtzeichen. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis das Licht am Tunnelende zwei Mal kurz erlosch und wieder anging.
    Schmitz hatte ihn verstanden. Ohne auf die Verstärkung und die Sanitäter zu warten, drehte Winterberg sich wieder um und rannte zurück, um Lorenz zu unterstützen.

Kapitel 69
    Irgendwo im Hintergrund war ein Rauschen. Nein, ein Klopfen. Das Geräusch wurde lauter, kam immer näher. Es wurde zu einem Poltern, zu Stimmengemurmel und Getöse.
    Plötzlich war es hell. Natascha kniff die Augen zusammen, um sich vor dem Schmerz zu schützen. Münker war wieder da, und er griff mit einer eiskalten Hand nach ihr. Sie zuckte zurück.
    »Es ist alles in Ordnung.« Die männliche Stimme war leise, und sie spürte die leichte Resonanz ihres Brummens.
    Der Mann löste ihre Fesseln, anschließend drückte er seine kalten Finger auf ihre Halsschlagader. Langsam öffnete er ihr linkes Augenlid und blendete sie mit einer kleinen Taschenlampe. Hoffentlich würde er sie narkotisieren. Sicher würde er das. Schließlich hatte er auch René betäubt und seine Wunden versorgt. Sonst wäre er schon vor einiger Zeit gestorben.
    »Natascha, kannst du mich hören?«
    Er griff unter ihren Rücken und hob gleichzeitig Oberkörper und Beine waagerecht an. Ein unglaublicher Schmerz zog durch Arme und Beine. Sie schrie. Die Fesselung hatte ihren Körper zu lange in eine unnatürliche Haltung gezwängt, und jetzt wehrten sich die Gelenke gegen jede Form der Bewegung. Zwei Männerstimmen sprachen miteinander, und Natascha kniff die Augen noch fester zusammen. Sie wollte nicht wissen, wie der andere aussah. Wer mochte sein Helfer sein? Schuster mit seinen rostigen Hirschfängern? Oder vielleicht sogar Reitmann, der Probleme auf mathematische Weise löste?
    Trotzdem öffnete sie langsam, wie gegen ihren Willen, die Augen. Zwei schemenhafte Gesichter beugten sich über sie, klopften gegen ihre Wangen.
    »Sie kommt zu sich!«
    Die Stimme kam ihr seltsam bekannt vor.
    »Natascha, ich bin ’s, Winterberg!«
    Wurde sie jetzt verrückt? Die Angst zauberte ein Trugbild in die Höhle: einen letzten schönen Moment vor dem unweigerlichen Ende. Der Mann vor ihr konnte nur Münker sein.
    Sie wollte den Kopf schütteln, um das Traumbild loszuwerden. Doch irgendjemand hielt ihren Kopf fest.
    »Natascha, hörst du mich?«
    Wieder sprach Winterbergs Stimme zu ihr und entwickelte einen Sog, dem sie sich nicht entziehen konnte. Ihr Blick klarte langsam auf. Sie erkannte die Höhle, sah schemenhafte Gestalten darin und diffuses Licht, das gegen die Höhlendecke schien.
    Und sie erblickte Winterbergs Gesicht, das sich über sie beugte. Es war schmutzig: voller dunkler Flecken auf Stirn, Nase und Wangen. Die Locken standen wirr vom Kopf ab; das Gesicht erinnerte sie an das eines Clowns.
    Schlagartig riss sie die Augen ganz weit auf.
    »Winterberg?« Ihre Stimme war ein heiseres Krächzen und schmerzte im Hals.
    Ihr Kollege schloss kurz erleichtert die Augen.
    Im Hintergrund hörte sie weitere Stimmen. Eine von ihnen kam ihr sehr vertraut vor. Lorenz! Sie richtete sich ein wenig auf, aber ein stechender Schmerz zog durch ihren gesamten Körper und drückte sie wieder zurück auf die Matratze.
    »Wir haben René gefunden«, flüsterte Winterberg. Es klang sanft und väterlich. »Hinter der Bretterwand.«
    Sie nickte vorsichtig. Ja, sicher lag er noch dort.
    »Es geht ihm nicht besonders gut, aber er wird bestimmt durchkommen«, versicherte Winterberg.
    Ich weiß, wollte sie ihm sagen. Doch stattdessen bildete sich eine Frage auf ihrer Zunge: eine, die sie gar nicht stellen wollte. »Wie habt ihr uns gefunden?«
    Aber sie musste ihn fragen, auch wenn ihr die Antwort Angst bereitete.
    »Wir haben dein Fahrrad gefunden. Und den Höhleneingang unter einer Hütte, ganz in der Nähe des Bonuscaches.«
    Natascha ahnte, dass da noch mehr war, aber das wollte sie nicht wissen. Noch nicht.
    Winterberg strich ihr über die Haare und murmelte beruhigende Worte, die sie nicht verstand. Doch sie
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