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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder
Autoren: Melanie Lahmer
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Zugangsstollen.« Lorenz stieß fast mit dem Kopf an die steinerne Höhlendecke und zog unwillkürlich die Schultern ein.
    Winterberg befühlte die Höhlenwand. Sie war kalt und feucht, ebenso wie die Luft. Er leuchtete an Steinhaus vorbei in den schmalen Gang hinein. Der Lichtkegel durchstach das Dunkel, wurde immer diffuser und verschwand irgendwo in der Ferne.
    »Der Stollen geht ganz schön weit rein. Hinten wird er bestimmt enger und niedriger; das ist nämlich typisch für einen Gang, der mit der Hand ausgeschlagen wurde«, erklärte Lorenz seinen Kollegen.
    Mit raschen Schritten drang Steinhaus tiefer in den Stollen hinein und enteilte den beiden anderen. Er stützte sich dabei mit den Händen an den Wänden ab.
    Winterberg richtete die Taschenlampe auf den Boden und nahm Steinhaus so das Licht. »Steinhaus, bleib stehen! Wir gehen zusammen, und ich marschiere von nun an als Erster. Keiner geht alleine! Aber zuerst sprechen wir über die Gefahren dieser alten Tunnel. Ist das klar?«
    Er hörte Steinhaus’ Schritte auf dem Geröll am Boden. Im nächsten Moment war der Kollege wieder bei ihnen.
    »Du meinst die Einsturzgefahr?«, fragte Steinhaus.
    »Ja, die auch.« Winterberg ließ den Lichtstrahl der Lampe über die Wand gleiten.
    Morsche Holzstücke waren in Abständen von etwa ein bis zwei Metern an Decke und Wand zu sehen. Stützbalken. Das Holz war dunkel, fast schwarz, und an manchen Stellen beängstigend dünn. Helle Flechten und Moose hatten sich an den Streben ausgebreitet. Ab und zu konnte man einen helleren Balken erkennen, der nicht zu den anderen passte.
    »Hier hat jemand neue Balken eingefügt, vermutlich, um die Höhlendecke besser abzustützen«, meinte Winterberg.
    Der Atem der drei bildete feine Dunstwölkchen im Lichtkegel, die nach oben flohen. Sie spürten jedoch nicht nur die feuchte Kälte, sondern auch einen Luftzug, der ihnen aus dem Stollengang entgegenwehte.
    »Na ja, hier unten ist zumindest genug Luft«, sagte Steinhaus. »Vielleicht fallen uns tonnenweise Steine auf die Schädel, aber wir ersticken wenigstens nicht. Können wir jetzt endlich weiter?« Er klang ungeduldig.
    Doch Winterberg schüttelte den Kopf. Am liebsten hätte er den forschen Kollegen wieder nach oben geschickt, sie konnten hier keinen Heißsporn gebrauchen. Nicht bei dieser Mission. Aber er verstand auch seine Ungeduld. Es ging hier schließlich um das Leben seiner Kollegin und Freundin.
    Winterberg schob sich an Steinhaus vorbei weiter in den Gang hinein und leuchtete mit der Taschenlampe geradeaus in die Dunkelheit. So weit sie schauen konnten, sahen sie nur den alten Stollen mit den morschen Stützbalken und maroden Holzkonstruktionen.
    »Die Einsturzgefahr ist nicht das Schlimmste im Altbergbau«, erklärte Lorenz. »Viel gefährlicher sind die Luftverhältnisse hier unten: die Wetter. Oftmals ist der Sauerstoffgehalt der Luft so niedrig, dass man irgendwann einfach zusammenklappt und erstickt. Das Fatale daran ist, dass man es nicht rechtzeitig bemerkt, sondern erst, wenn es zu spät ist.«
    »Aber dann besteht doch auch Explosionsgefahr, oder?« Steinhaus’ Stimme klang hier unten im Tunnel seltsam gedämpft.
    »Hier nicht so, eher im Kohlebergbau, wie zum Beispiel im Ruhrgebiet. Aber man weiß schließlich nie, wie die Wetter in den einzelnen Stollen sind und welche Gase sich gebildet haben. Und das Fatale an den Gasen ist deren Zusammensetzung. Im Bergbau sind ganz besonders die sogenannten Kriechgase gefürchtet, denn sie vermischen sich mit der übrigen Luft im Stollen oder einer Höhle und können überall lauern, nicht nur am Boden. Man bemerkt sie nicht rechtzeitig, und irgendwann ist dann der Sauerstoffgehalt der Luft zu niedrig, und man erstickt qualvoll. Wenn man merkt, dass die Atemluft zu dünn wird, ist es meistens schon zu spät.«
    Lorenz trug mit seinen Ausführungen nicht unbedingt zur Beruhigung bei. Aber seine Ausführungen lenkten auch ein wenig von der Situation ab, die Winterberg zunehmend bedrohlicher fand. Die Kollegen hinter ihm blieben eine Zeit lang still, und man hörte nur den gedämpften Widerhall der Schritte. Ab und zu platschte es, wenn jemand in eine Pfütze trat.
    Plötzlich begann Lorenz erneut zu erzählen. »Früher setzte man Kanarienvögel als Frühwarnsystem für die Bergleute ein. Schon bei den kleinsten Mengen an Kohlenmonoxid in der Luft plusterten sich die Tiere erst auf und kippten dann von der Stange. Das war das Zeichen für die Bergleute, schleunigst die
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