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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder
Autoren: Melanie Lahmer
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Gänge und Gruben zu verlassen, bevor die Atemluft ganz dünn wurde. Aber auch das hat man im Kohlebergbau eher als hier.«
    Winterberg ging langsamer und leuchtete den Boden ab, als könne er auf diese Weise gefährliche Gase sichtbar machen. Unwillkürlich atmete er tief ein und wieder aus, als ließ sich so seine Lungenkapazität erweitern. Es fühlte sich alles normal an; er brauchte keinen Kanarienvogel, der ihm das Leben rettete. Dagegen dachte er voller Sorge an Natascha, die möglicherweise von Kriechgasen umgeben war. Vielleicht erstickte sie genau in diesem Moment, in dem sie hier durch den Gang gingen. Sie mussten sich beeilen!
    »Bückt euch, hier ragen überall scharfkantige Felsstücke heraus!«, rief er nach hinten. Der Tunnel wurde immer niedriger und enger, und Winterberg hatte den Eindruck, dass sie kaum merklich abwärtsgingen. Es wurde immer kühler, und seine Kleidung fühlte sich klamm an. Er fröstelte. Mehr als zehn Grad konnten sie hier kaum haben, dachte er.
    »Ich finde es ganz schön unheimlich hier unten«, gestand Steinhaus, der dicht hinter Winterberg ging und ihn kurz antippte. »Und Lorenz’ Erklärung darüber, wie gefährlich das hier alles ist, hat mich auch nicht gerade beruhigt. Was ist das bloß für ein Gang?«
    Winterberg lief weiter, ohne zu antworten.
    Winterbergs Beklemmung wuchs. Mit jedem Schritt drangen sie tiefer in die Erde ein, weitab von Licht und Sauerstoff. Schon lange hatten sie nicht mehr die Möglichkeit, bei Gefahr durch Lichtzeichen um Hilfe zu bitten. Wenn ihnen jetzt etwas zustieß, konnten sie nur hoffen, dass die von Schmitz alarmierten Rettungssanitäter recht bald kommen würden. Und weitere Verstärkung am besten gleich hinterher.
    »Da vorne ist noch immer kein Ende zu sehen, der Tunnel scheint ewig lang zu sein!«, rief Steinhaus verzweifelt. »Glaubt ihr wirklich, dass Natascha hier irgendwo versteckt ist? Wir hätten sie doch schon längst finden müssen! Sicher ist sie irgendwo in einer anderen Hütte gefangen, und das hier ist nur ein Täuschungsmanöver. Wär ja nicht das erste. Vielleicht tut er ihr gerade etwas an, während wir hier wie Kellerasseln durch die Erde kriechen.«
    Winterberg drehte sich um. Steinhaus’ Schatten ragte hinter ihm auf und ließ ihn bedrohlich groß und mächtig erscheinen.
    »Und dann stürzt die Erde über uns ein, oder wir ersticken elendig langsam durch die Gase!«, fügte Steinhaus hinzu.
    »Jetzt halt mal den Mund!«, herrschte Winterberg seinen Kollegen an, der angesichts der Finsternis und der Enge des Tunnels offenbar panisch reagierte. Entschlossen ging er weiter und leuchtete in die Dunkelheit vor ihm hinein.
    »Hey, beruhigt euch!«, rief Lorenz von hinten. »Das bringt jetzt gar nichts. Wir stehen zwar alle total unter Strom, doch wir müssen gerade jetzt zusammenhalten.«
    Winterberg seufzte und folgte weiter dem Lichtkegel seiner Taschenlampe. Plötzlich sah er, dass sich der Weg vor ihnen gabelte.
    »Verdammt!« Er blieb stehen. »Was nun?«
    »Scheiße!«, hörte er Lorenz ausrufen.
    Steinhaus stöhnte auf. »Also doch eine falsche Fährte.«
    Sie gingen näher an die Gabelung heran.
    Winterberg leuchtete in beide Tunnels hinein. »Mist! Der eine Gang ist so dunkel wie der andere! Und welchen sollen wir jetzt nehmen?«
    Er beleuchtete den Boden, suchte ihn nach Fußspuren oder anderen Zeichen ab. Aber hier unten gab es so gut wie keine Erde, keinen Staub – nichts, worin sich ein sichtbarer Abdruck zeigen würde. Nur das feuchte Geröll und kleine Pfützen.
    »Wir nehmen den rechten«, antwortete Steinhaus.
    Winterberg sah ihn fragend an.
    »Irgendwo müssen wir schließlich anfangen«, erklärte Steinhaus und hob die Schultern.
    Winterberg versuchte so etwas wie ein Lächeln und ging als Erster in den rechten Gang hinein.
    Tief gebückt wanderten sie durch das unterirdische Tunnelsystem, ohne zu wissen, wo sie sich befanden. Winterberg hatte die Orientierung verloren. Wahrscheinlich bewegten sie sich in Richtung Norden, aber das ahnte er mehr, als dass er es wusste. Der Gang wurde mit jedem Schritt niedriger und schmaler und damit auch immer bedrohlicher. Winterberg leuchtete nach vorn, aber auch vor ihnen war nur zu erkennen, dass sich der Gang verengte. Noch ein paar Meter, und sie würden kriechen müssen.
    »Ich mag gar nicht über die unglaublich vielen Grubenkarten und -blätter nachdenken, die es vom Siegerland gibt – in diesen Stollengängen kann man sich gefährlich verirren.« Lorenz
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