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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe
Autoren: Charlaine Harris
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Erfahrung nach vermittelten die meisten Priester mit großem Geschick, was sie ernst meinten und was nicht. „Wenn mir jemand einen Haufen Geld hinterließe, würde ich auch hüpfen. Ich hatte keine Ahnung, dass Jane … ich wusste nicht, dass sie viel zu hinterlassen hatte.“
    „Ich auch nicht! Sie hat nicht gelebt wie jemand mit Geld. Aber jetzt hole ich Ihnen etwas zu trinken. Kaffee? Oder etwas Richtiges?“ Das durfte ich ruhig fragen, immerhin war der Mann Priester der Episkopalkirche. Wenn es sich, sagen wir mal, um den Pfarrer von Parnell und Leah Engle gehandelt hätte, hätte mir so eine Frage eine strenge Strafpredigt eingebracht.
    „Wenn Sie mit etwas ‚Richtigem’ ein alkoholisches Getränk meinen, dann sage ich nicht nein. Es ist nach siebzehn Uhr, und Beerdigungen nehmen mich immer ziemlich mit. Was haben Sie denn da? Vielleicht sogar Seagrams?“
    „Der Zufall meint es gut mit uns: habe ich. Wie wäre es mit einem Seven und Seven?“
    „Klingt gut.“
    Während ich Seagram’s Seven mit Seven Up mischte, Eis in die Gläser füllte und sogar Cocktailservietten und Nüsse auftrieb, wurde mir langsam klar, dass dieser Besuch des Priesters der Episkopalkirche doch eigentlich recht seltsam war. Ich konnte den Mann schlecht direkt fragen, was er hier wollte, aber neugierig war ich. Na ja, irgendwann würde er wohl mit seinem Anliegen herausrücken. Die meisten Diener Gottes in Lawrenceton hatten ein- oder zweimal versucht, mich dauerhaft für ihre Gemeinde zu gewinnen. Zwar ging ich ziemlich regelmäßig in die Kirche, aber, wie gesagt, nur selten zweimal hintereinander in dieselbe.
    Mein schwarzes Beerdigungskleid war für die Jahreszeit viel zu warm, und ich wäre gern nach oben gegangen, um mir etwas Leichteres anzuziehen. Aber das ging ja nun gar nicht: Wahrscheinlich entwich mir der Priester durch die Hintertür, wenn ich mich entschuldigte, um in „etwas Bequemeres“ zu schlüpfen.
    Die hochhackigen Schuhe, an denen noch der Lehm des Friedhofs klebte, streifte ich allerdings ab, nachdem ich mich gesetzt hatte.
    „Also?“, unterbrach mein Besucher die verlegene Pause, die zwischen uns entstanden war. „Erzählen Sie mir von Ihrer Erbschaft?“
    Das ursprüngliche Kribbeln freudiger Erregung war verrauscht und ließ sich nicht wieder heraufbeschwören, aber auf meine Lippen schlich sich ein Grinsen, als ich von meiner Freundschaft mit Jane berichtete und davon, wie Bubba Sewell mich nach der Beerdigung angesprochen hatte.
    „Außerordentlich!“, brummte Aubrey. „Da ist Ihnen ein großer Segen zuteil geworden.“
    „Ja.“ Ich stimmte ihm aus ganzem Herzen zu.
    „Dabei waren Sie, wie Sie sagen, noch nicht einmal besonders eng mit Jane befreundet?“
    „Nein! Wir waren Freundinnen, aber manchmal verging ein ganzer Monat, ohne dass wir uns sahen. Was keine von uns besonders schlimm fand.“
    „Ich nehme mal an, Sie hatten noch keine Zeit, sich zu überlegen, was Sie mit dem unerwarteten Segen anfangen wollen?“
    „Nein.“ Wenn der Mann mir jetzt einen guten Zweck ans Herz legte, würde ich ihm das ernsthaft übel nehmen. Ich wollte eine Weile ganz einfach nur die stolze Besitzerin eines kleinen Hauses und eines für meine Verhältnisse großen Barvermögens sein.
    Aber er legte mir keine barmherzigen Werke ans Herz. „Ich freue mich für Sie“, sagte er schlicht, woraufhin eine weitere Verlegenheitspause entstand.
    „Kann ich denn etwas für Sie tun? Stand in Ihrer Nachricht …“ Ich ließ den Satz unvollendet, bemühte mich aber um eine intelligente Erwartungshaltung.
    „Nun, eigentlich wollte ich … nein, wie dumm, ich führe mich ja auf, als wären wir noch auf der High School! Ich wollte Sie fragen, ob Sie wohl gern einmal mit mir ausgehen würden …“
    „Ausgehen …“, wiederholte ich verblüfft.
    Das schien ihn zu verletzen. Hastig bemühte ich mich, den Eindruck wieder zu verwischen. „Ich finde das keine seltsame Frage!“, versicherte ich ihm. „Ich hatte nur nicht mit so einer Einladung gerechnet.“
    „Weil ich ein Diener Gottes bin.“
    „Na ja -ja.“
    Er stieß einen Seufzer aus, ehe er, einen resignierten Ausdruck im Gesicht, zu einer Antwort ansetzte.
    „Warten Sie!“ Abwehrend hob ich beide Hände. „Halten Sie jetzt bitte nicht die Rede, Sie seien auch nur ein Mensch wie jeder andere! Das war etwas ungeschickt, das gebe ich gern zu. Natürlich gehe ich mit Ihnen aus!“
    Irgendwie hatte ich das Gefühl, das sei ich dem Mann schuldig.
    „Gibt es
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