Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)

Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)

Titel: Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
Autoren: Jutta Profijt
Vom Netzwerk:
erfolgreich, weil das Genick ein lautes Knacksen von sich gibt – und Schluss. Keine Zweifel, kein langes Leiden, eine schöne, runde Sache. Die unangenehmste Version ist das Erhängenan der Heizung oder am Abflussrohr des Waschbeckens. Ja, das geht. Allerdings stirbt der Selbstmordwillige bei diesen, sagen wir mal, erdnahen Selbsttötungen meist ziemlich langsam. Wichtig ist dabei, dass der Zug auf der Schlinge erhalten bleibt, der Typ sich also nicht, sobald es eng wird, wieder aufrappelt. Das ist nur etwas für besonders Willensstarke.
    Die Frau, die Gregor und Jenny in einem Mehrfamilienhaus älterer Bauart unter dem Dach trafen, hatte sich selbst entweder die nötige Willensstärke nicht zugetraut oder sie hatte einfach die vorhandene Infrastruktur genutzt, die eine First-Class-Genickbruch-Gelegenheit bot. Sie hing an einem offen liegenden Dachbalken. Gregor und Jenny betrachteten sie erst mal aus einiger Entfernung durch die Speichertür vom Treppenabsatz aus.
    »Wer hat sie gefunden?«, fragte Gregor als Erstes.
    Der Uniformierte, der die Tür bewachte, deutete auf eine kleine Frau in geblümter Kittelschürze, die in einen labberig feuchten, strahlend weißen Kissenbezug heulte. Den hatte sie offenbar aus dem Wäschekorb genommen, mit dem sie in eindeutiger Absicht auf den Speicher gestiegen war. Drei der vier für die Bettwäsche gedachten Plastikleinen hingen noch waagerecht, die vierte kringelte sich um den Hals der Toten.
    »Alle informiert?«, fragte Gregor.
    Die Uniform nickte. Über kurz oder lang würden also die Schlitzer und die Nummerngirls erscheinen.
    Gregor wandte sich an die heulende Schürze. »Kennen Sie die Frau?«
    »Das ist Paulina Pleve«, schluchzte die Frau halb erstickt in ihre Kissenhülle.
    »Wohnt sie hier im Haus?«
    »Sie ist meine Nachbarin.«
    »Wann haben Sie sie zuletzt lebend gesehen?«
    Die Schürze schnäuzte geräuschvoll in den Kopfkissenbezug und zuckte unsicher die Schultern. »Gestern? Aber vielleicht war es auch vorgestern. Ich weiß nicht …«
    Gregor bat Jenny, die Personalien der Schürze aufzunehmen und sie dann in ihre Wohnung zu begleiten. Er selbst blieb vor der Speichertür stehen und blickte sich aufmerksam um.
    Der Uniformierte räusperte sich. »Ich musste die Tür aufbrechen. Sie war von innen versperrt.«
    Gregor seufzte. »Die Nachbarin hat die Polizei gerufen, weil die Tür von innen versperrt war?«
    »Natürlich nicht.« Die Uniform drückte die Tür vorsichtig zu. Gregor konnte durch das uralte Fenster mit geätztem Eisblumenmuster den Umriss der im lauen Luftzug schwingenden Leiche erkennen.
    »Sie sagen den Spusis bitte ganz genau, wie Sie die Tür vorgefunden haben und was Sie getan haben, um sie zu öffnen.«
    »Natürlich.«
    Es dauerte weitere zehn Minuten, bis die Schlitzer kamen – in Person von Katrin. Sie drückte Gregor einen flüchtigen Kuss auf den Mund, zog sich die Schuhschoner und den Overall an, stopfte ihr schönes, langes Haar unter die Kapuze und ging durch die Tür. In dem Overall herrschte jetzt vermutlich eine Temperatur von fünfundneunzig Grad. Katrin ist die Lauteste, wenn es um Beschwerden über die Arbeitsbedingungen in den grässlichen Ganzkörpertüten geht, aber in ihrer Professionalität lässt sie sich davon nicht abschrecken. Sie wird nie diejenige sein, die vor dem Richter sitzt und gestehen muss, dass der Tatort von ihr oder ihren Kollegen verunreinigt wurde, weil die Overalls im Sommer zu warm oder im Winter zu kalt sind. Zu kalt deshalb,weil keine vernünftige Jacke unter so ein Teil passt, von Katrins Daunenmantel ganz zu schweigen. In dieser Konsequenz ist sie sich mit Martin absolut einig – vermutlich die einzige Gemeinsamkeit, die die beiden haben.
    Katrin notierte die gemessene Umgebungstemperatur von zweiunddreißig Grad Celsius, maß die Öffnungen der beiden Dachfensterchen, bestimmte die Himmelsrichtung der Dachfenster und knipste ein paar Bilder als Gedächtnisstütze. Sie benötigte diese Informationen zur Berechnung des Todeszeitpunktes, denn eine Leiche kühlt auf einem heißen Dachboden nicht so schnell aus wie in einem feuchten Keller – logo, oder? Wenn bei offenen Fenstern allerdings Luftzug ins Spiel kam, würde Katrin sogar die Temperatur der Nachtluft recherchieren, um eine möglichst genaue Todeszeitangabe machen zu können. Ja, Katrin ist nicht nur die heißeste Maus im Schlitzerteam, sondern auch noch eine der besten.
    Aus meiner Perspektive, also ungefähr zwei Meter über dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher