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Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)

Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)

Titel: Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
Autoren: Jutta Profijt
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gruseligen Grauweiß stehen geblieben.Er öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne ein Wort gesagt zu haben, schob seinen Stuhl zurück und erhob sich.
    »Ich bin so weit«, sagte Gregor zu den Bullen. Seinen Freunden schenkte er keinen Blick mehr.
    »Gregor!«, flüsterte Katrin und stand ebenfalls auf.
    »Aber …«, stammelte Martin.
    Birgit hickste.
    Dann waren die Düsseldeppen mit Gregor weg.
    Katrin ließ sich auf ihren Stuhl zurückfallen, Martin und Birgit hatten immer noch die Quatschklappen offen stehen und auch ich war noch einige Sekunden in einem Schockzustand gefangen. Dann reagierte ich gleichzeitig mit Martin. Er rief mir in Gedanken noch zu: »Hinterher!«, aber da war ich schon unterwegs.
    Mein körperlicher Zustand war in diesem Fall von Vorteil, denn ich begleitete Gregor und die beiden Düsseldorfer Kripos unbemerkt. Logo, schließlich bin ich tot. Natürlich nicht ganz, sonst wäre ich ja gar nicht mehr da. Meine Seele fand, nachdem ich vor sechzehn Monaten ermordet worden war, den Tunnel mit dem Licht nicht, und so schimmele ich seitdem als Geistwesen zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten herum. Mein Körper ist schon lang verscharrt, aber meine Seele lebendiger als zu Lebzeiten. Will sagen: Ich kann nicht mehr pegeln und bin daher ständig nüchtern. Ich kann nicht mehr poofen und bin also immer wach. Und ich habe eine Menge gelernt von Gregor, dem einzigen Bullen, den ich für einen coolen Typen halte, und Martin, dem einzigen Menschen, zu dem ich Kontakt aufnehmen kann. Herausgefunden haben Martin und ich diese besondere Beziehung anlässlich meiner Obduktion, als nämlich Doktor med. Martin Gänsewein, Rechtsmediziner am Institut fürLeichenfledderei der Uni Köln, mich vom Hals bis zum Sack aufschlitzte, ausweidete und sehr unschön wieder zusammennähte.
    Ich kann die Welt der Irdischen hören und riechen, obwohl ich keine Ohren und Nase mehr habe. Ich kann elektromagnetische Wellen fühlen und manchmal auch beeinflussen, weil ich selbst eine bin. Ich kann also total viel, aber kommunizieren kann ich nur mit Martin. Was schon rein quantitativ eine herbe Einschränkung des sozialen Umgangs darstellt, von der Qualität ganz zu schweigen. Anders gesagt: Eine Bezugsperson allein ist schlimm genug, aber Martin ist eine Strafe für mich, wie ein Seifenkistenrennen für einen Formel-1-Piloten. Aber über das besondere Verhältnis zwischen dem Oberpeinologen Martin Gänsewein und dem coolsten Geist diesseits von Himmel und Hölle werden Sie im Laufe der Geschichte noch mehr lernen – vielleicht mehr, als Sie wollen.
    Jetzt jedenfalls ging es erst mal nur um Gregor.
    Düsseldorf und Köln sind wie Mercedes und BMW. Jeder hält sich für was Besseres. Natürlich ist das Quatsch. Die Düsseldorfer haben außer der historischen Fehlentscheidung, dieses Kaff am Unterlauf des Rheins zur Landeshauptstadt zu machen, nichts vorzuweisen. Deshalb hacken sie so gern auf den Kölnern herum. Die Kölner hingegen wissen, dass Kölsch und Altbier auf die gleiche Weise gebraut werden – die Frage, warum das Bier rheinabwärts so aussieht, als käme es aus dem Güllefass, müssen Sie sich selbst beantworten.
    Auch was den Bullenbunker angeht, liegt Köln klar vorn. Die Kölner Kripo sitzt in einem coolen Neubau in Kalk, während die Düsseldorfer Kripo in einem fast hundert Jahre alten, hässlichen Backsteinbunker vor sich hin oxidiert. Dorthin wurde Gregor geschleift.
    Von den beiden Bullen, die Gregor einkassiert hatten, machte der, der wie ein Chorknabe aussah, die Ansagen, der andere pulte Dreck unter seinen Fingernägeln hervor. Viel Dreck. Vielleicht war der Typ eigentlich Gärtner und nur zur Aushilfe bei der Bullerei. Keine Ahnung, wie die in Düsseldorf ihre Planstellen bemannen.
    »Ich werde das Gespräch aufzeichnen. Würden Sie bitte Ihren Namen sagen?«, wandte sich der Chorknabe an Gregor.
    Gregor schwieg.
    »Was haben Sie am vergangenen Freitagabend nach achtzehn Uhr gemacht?«
    Gregor schwieg.
    Er schwieg auf diese und alle weiteren Fragen nach seinen Tagesabläufen der letzten Woche, nach seiner Beziehung zu Susanne Hauschild und nach dem Grund für ihre Verabredung. Er glotzte einfach eine gute Stunde lang auf die Tischplatte vor sich, bis er endlich die Denkschüssel wieder in die anatomisch vorgesehene Position hob und den Mund aufmachte:
    »Kann ich einen Kaffee haben?«
    Keller – oder war es Stein? – seufzte, quälte sich auf die Beine und holte Kaffee für alle.
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