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Klondike

Titel: Klondike
Autoren: James A. Michener
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Abschluß meiner Nachforschungen über Kanada noch brauchte.
    Dieses eine Beispiel verkörpert auf perfekte Weise zwei Aspekte des Schreibens: die Notwendigkeit für einen ernsthaft arbeitenden Schriftsteller, auch der dürftigsten Spur zu folgen, dem kleinsten Hinweis nachzugehen, daß sich irgendwo, in einer weit entfernten Bibliothek, vielleicht ein Buch versteckt hält, das all die Informationen enthält, die er braucht. Noch wichtiger aber ist die andere Seite der Medaille: daß jeder, der über etwas schreibt, was das menschliche Wissen erweitert, das Geschriebene in irgendeiner Bibliothek oder einem Archiv
    hinterlegen sollte.
    Ich habe in meinem Leben über die ungewöhnlichsten Themen geschrieben, über Bereiche, von denen man hätte wetten können, daß kein Mensch je vorher über sie gearbeitet hätte, aber mit ein wenig intensivem Nachforschen bin ich dann doch immer auf irgend etwas gestoßen, meist sogar auf ein richtiges, gut lesbares Buch wie das von MacGregor über Edmonton. Ich habe festgestellt, daß im neunzehnten Jahrhundert viele englische Kirchenmänner, Priester oder Missionare, die irgendwo in den entlegensten Winkeln am Ende der Welt saßen, die informativsten Bücher verfaßt haben, in einem amateurhaften Stil, über ihre Hobbys: Reisen, Archäologie, die Geschichte fremder Länder oder unerforschter Stämme. Auch deutsche Gelehrte haben ein erstaunlich weit gefächeltes Forschungsinteresse bewiesen.
    Aus wiederholter Erfahrung kann ich ruhigen Gewissens feststellen: Ich bezweifle, daß man sich irgendein Thema ausdenken kann, von noch so geringer Bedeutung, über das nicht bereits ein voluminöses Buch geschrieben worden ist.
    Die Anhäufung verwertbaren Wissens in unserer Welt ist atemberaubend, und mit den neuen, auf vernetzten Datenbanken gespeicherten Nachschlagewerken läßt sich jedes noch so »flüchtige« Dokument mühelos aufspüren.
    Wie nützlich die beiden Bücher über Edmonton waren, zeigte sich, als zwei kritische Leser, die »Klondike« als Manuskript zur Einsicht bekommen hatten, Einspruch dagegen erhoben, daß ich meine Figuren an Skorbut sterben ließ: »Lächerlich. Schon hundert Jahre vorher hatte Cook ein wirksames Heilmittel gegen Skorbut gefunden. Erfahrene Forscher wie Lord Luton und Harry Carpenter werden sicher gewußt haben, wie sich diese Krankheit vermeiden ließ.«
    Eingeschüchtert und fürchtend, ich hätte vielleicht irgend etwas mißverstanden, das ich zu flüchtig gelesen hatte, griff ich zu meinem Berton und fand folgenden Abschnitt:
    »Wind City lag am Wind River, und hier campierten fünfzig bis sechzig Menschen, von denen drei Viertel furchtbar an Skorbut litten. Als dann noch Wundbrand einsetzte, wurden ihre Zehen mit Bügelsägen amputiert; und als sie starben, stopfte man die Leichen einfach in die erschöpften Bergstollen ... Die Herkunft der Opfer war Ausdruck der internationalen Besetzung des Lagers. Am 30. November verstarb ein Mann aus Chicago an Skorbut; am 13. Dezember ein Mann aus Frankreich; Anfang Januar zwei Holländer, ebenfalls an Skorbut.«
    Selten läßt sich ein Streitpunkt so eindeutig lösen. Natürlich müssen meine Figuren, die englische Reisegruppe, gewußt haben, wie man sich vor Skorbut schützt, und während des ersten langen Winters in der Arktis mit ausreichend Proviant, wurden sie mit diesem Problem auch leicht fertig. Aber in dem Streit ging es um ihren zweiten Winter, ein besonders grausamer dazu, den die meisten Abenteurer eingepfercht in engen Hütten, ohne genug Nahrung oder Medikamente, verbrachten, wo Skorbut sie schließlich dahinraffte.
    Das Buch von MacGregor war eine wahre Fundgrube historischer Informationen über die Rolle, die Edmonton im Goldrausch gespielt hat, und als ich es das erstemal mit viel Freude las, wußte ich, daß die Männer und Frauen, die damals durch Edmonton gezogen sind, einen so reichen Schatz an Charakteren und Ereignissen boten, daß ich den Trupp Männer, den ich in meinem Buch nach Dawson aufbrechen ließ, so willkürlich zusammensetzen konnte, wie ich wollte. Nichts, was meiner Phantasie entsprungen wäre, schien zu absurd, nachdem man gelesen hatte, was reale Personen zu jener wilden Zeit alles unternommen hatten.
    Hier fällt mir eine seltsame Regel ein, der sich Schriftsteller gerne unterwerfen. Unsere Anwälte geben uns immer wieder den Rat, ja keine schöne Literatur zu lesen, die sich mit unserem Thema beschäftigt, denn ein fiktionaler Text ist das geistige Eigentum seines
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