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Klondike

Titel: Klondike
Autoren: James A. Michener
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traten mir in die Augen, wenn bestimmte Ereignisse sie überwältigten, und ich hatte ein erstaunlich klares Bild von den Überlebenden: der irische Wildhüter, der eine Hauptfigur in den noch fehlenden Kapiteln von »Alaska« werden sollte, und der Adlige, der während des Ersten Weltkrieges ein enger Mitarbeiter des britischen Premierministers Lloyd George wurde.
    So ein Roman ist eine komplizierte Angelegenheit, und lange Romane, wie ich sie meistens schreibe, müssen auf das sorgfältigste konstruiert werden. Komponenten, die in einer früheren Episode auftauchen, sind oft deswegen gerade dort eingebaut, damit man sie im folgenden wirkungsvoll nutzen kann, und Ereignisse, die scheinbar irrelevant sind, können doch von Bedeutung sein, weil sie eine Wertvorstellung etablieren, die später noch einmal wichtig sein wird.
    Die Rede ist hier nicht von künstlichen Hinweisen wie im Kriminalroman. Ich meine vielmehr die in dem Genre begründeten Bausteine von Geschichtenerzählern, deren richtige Anwendung fundamental ist für die Herausbildung eines eigenen Stils und die Gewinnung des Vertrauens und der Anteilnahme der Leserschaft. Und hier meine ich vor allem das Phänomen der Resonanz.
    Das klassische Beispiel von Resonanz, von Tolstoi mit höchster Effektivität verwendet, wird in einer der ersten Szenen in »Anna Karenina« vorbereitet, als nämlich die Heldin am Bahnsteig beobachtet, wie ein Bahnarbeiter mit einem Hammer gegen die Räder der Lokomotive schlägt, um deren Sicherheit zu überprüfen, ein Vorzeichen der Szene, auf die alles hinausläuft, in der sich die Protagonistin vor ebendiese Räder wirft und Selbstmord begeht.
    Fast jede Einzelheit einer Erzählung kann, geschickt genug eingesetzt, Resonanz erzeugen. Ein Roman ist eine miteinander verwobene Serie von beladenen Worten und Bildern, von Charakteren, die sich auf bestimmte Art und Weise verhalten, von existierenden Settings, die ihre ganz eigene Kennung tragen, und von entscheidenden Begebenheiten im nachfolgenden Teil der Geschichte, die durch vergleichbare Begebenheiten oder Ereignisse, die sich früher zugetragen haben, hervorgehoben werden oder ihre Schatten vorauswerfen können. Ich versuche immer wieder, Worte, Satzteile, Ereignisse oder ganze Bedeutungsinhalte in einem Teil der Erzählung unterzubringen, so daß sie bei ihrem Wiedererscheinen später eine stärkere Bedeutung erfahren. Eine der vergnüglichen Freuden beim Lesen ist das Wiedererkennen dieser Resonanzen.
    Resonanz liegt vor - zum Vorteil jeder Erzählung -, wenn der Leser auf eine Phrase, einen Gedankengang, eine Figur oder ein Ereignis stößt, mit dem er schon vertraut ist. In diesem Moment empfindet der Leser entweder das Vergnügen, etwas wiederzuerkennen, oder den Nervenkitzel einer aufgefrischten Bekanntschaft, oder er bewundert, wie passend der Abschnitt an gerade dieser Stelle doch ist. Die Komponisten der Klassik griffen häufig auf dieses Stilmittel zurück, besonders in längeren musikalischen Werken: Richard Wagner und Cesar Franck ganz schamlos deutlich, Ludwig van Beethoven und Giuseppe Verdi auf eher subtilere Weise. Bestimmte Romanciers bedienen sich dieses Kunstgriffs mit erstaunlichem Geschick - Ho-ore de Balzac, um nur einen zu nennen -, aber nur wenigen Lesern ist bisher die unglaubliche Menge von Zufällen in Boris Pasternaks phantastisch gearbeitetem »Dr. Schiwago« aufgefallen.
    Jeder angehende Schriftsteller, der sich scheut, Zufall als Stilmittel zu nutzen, aus Angst vor der vernichtenden Kritik -»Bei ihm scheint das Leben nur aus einer Aneinanderreihung von Zufällen zu bestehen« -, sollte sich zum Trost Pasternak zu Gemüte führen.
    Ich betrachte meine Romane als nahtlose Netze, die irgendwo anfangen und irgendwo enden, und ich vermute, daß genau deswegen manche Leser meine Schlußkapitel immer unbefriedigend gefunden haben. Ich verknüpfe keine losen Enden miteinander; ich will auch nicht bestimmte Komponisten imitieren, die das Ende ihrer Symphonien vier oder fünf Minuten vor Schluß einleiten, mit einer Serie geräuschvoller Crescendi fortfahren, um mit einem gigantischen Tusch den Schlußpunkt zu setzen. Ich ziehe es vor, meine Romane in genau demselben Tempo ausklingen zu lassen, mit dem sie angefangen haben, so daß der Leser begreift, die grundlegende Situation, die beschrieben wird, besteht immer weiter, und da nicht alles von höchster Intensität sein kann, bin ich gezwungen, mein Orchester an irgendeiner Stelle anzuhalten.
    Als ich
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