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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition)
Autoren: Tobias O. Meißner
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achtzugeben. Ihr beim Entkommen geholfen. Mehrmals sogar.
    Er wollte ihr folgen, um ihr das alles zu erklären. Doch es kam ihm fahrlässig vor, dabei das Schwert nicht mitzunehmen. Er hatte sie schon so viele Männer erschlagen sehen, und einige von denen waren vollkommen unzureichend bewaffnet gewesen.
    Mit kalten Fingern ergriff er die Klinge und folgte ihr. Unterwegs sprach er mit ihr.
    »Es ist sinnlos und dumm!«
    »Du wolltest doch immer lernen. Jetzt erhältst du deine Lektion.«
    »Aber ich will nicht sterben!«
    »Du musst nicht sterben. Du hast dieselbe Möglichkeit, mich zu bezwingen, wie jeder andere auch. Sogar eine größere, denn du hast Glück: Ich bin müde, erschöpft, ich habe eine mehrtägige Reise durch die Wüste hinter mir. Ich bin sogar durstig. Mir dreht sich schon alles. Du wirst vielleicht sehr leichtes Spiel haben.«
    »Aber ich will auch dich nicht töten! Selbst wenn du hinfällst und alle viere von dir streckst, würde ich dir nichts antun können. Das weißt du ganz genau!«
    »Und warum ist das so?«
    »Weil wir … Freunde sind? Gefährten? Wir sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen!«
    »Ich habe dich nicht verscheucht. Weil du nur ein Junge warst. Aber das ist jetzt anders.«
    Sie führte ihn durch die belebten Straßen nach draußen, außerhalb der Zeltstadt. Stenrei hoffte, dass auf irgendeinem der schlanken Wachtürme jemand zusah, wie er zur Schlachtbank geführt wurde, und eingriff. Aber wie wahrscheinlich war es, dass sich überhaupt jemand für das interessierte, was zwei hellhäutige Ortsfremde außerhalb der Innenstadt miteinander veranstalteten?
    Stenrei spürte Verzweiflung, Alleingelassensein und Todesfurcht, alles durcheinander, alles sich ähnlich und auseinander hervorbrechend.
    Aber da war noch etwas anderes. In dieses Gemenge mischte sich ein Ton, den er so an sich noch gar nicht kannte.
    Ihn ärgerte seine Hilflosigkeit.
    Sein Auf-andere-Angewiesensein. Sein auch jetzt wieder Erenis schafstreu Hinterhertrotten. So war er doch eigentlich gar nicht mehr. Angesichts von Erenis verfiel er in alte Verhaltensmuster. Aber schon früher, bei seinen Erkundungsstreifzügen in den Wäldern, hatte er die ausgetretenen Pfade der Boseler hinter sich gelassen. Als er mit Erenis aufgebrochen war ebenfalls. Als er sie aus der umstellten Hütte herausgeholt und sich dadurch mit einem Rittrichter angelegt hatte. Und spätestens sein siegreicher Kampf gegen den Waldmann musste ihn über so etwas wie Folgsamkeit erhoben haben.
    Er hatte das nur vergessen. Die Niederlage im Oval hatte ihn das alles vergessen lassen.
    Langsam, mit jedem Schritt mehr, schwappte nun Wut in seine Verzweiflung. Wut auf Erenis und ihren starrköpfigen Weg des Blutvergießens. Wo es doch so viele andere Möglichkeiten gab, ein Leben auszukosten. Er bewunderte sie nicht mehr. Sie störte. Zerstörte. Baute niemals etwas auf.
    Er beschloss, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen, so wie das ja auch Elirou machte. Er fasste das Schwert fester und hoffte, dass seine vielen ermüdenden Übungen sich endlich einmal auszahlten. Vielleicht gelang es ihm, Erenis einfach zu überrumpeln. Indem er viel stürmischer und wuchtiger angriff, als sie das jemals erwartet hätte.
    Sie führte ihn zu einem Lager am Rande der Ortschaft, wo mehrere Kinder auf schmutzigen Decken hockten. Es waren alles Mädchen, struppig, dunkel, aber mit aufmerksamen, erfahren wirkenden Gesichtern. Was waren das für Kinder?
    Erenis trat in ihre Mitte und drehte sich dann zu Stenrei hin um. Sie zog ihr Schwert. Die Blutstaben sahen aus, als hätten sie seit Tagen nicht mehr getrunken, als zeigte ihre Rätselschrift den Durst der Wüste.
    »Willkommen in meiner neuen Schule«, sagte sie.
    Er wunderte sich. Diese Kinder? Es waren nur sechs. Waren es in Ugon Fahus’ Schule nicht mehr als sechzehn gewesen? Und wo hatte Erenis sie her?
    Seine Gedanken endeten, weil Erenis ihn angriff. Zum ersten Mal überhaupt sah er die Klingentänzerin mit ihrer Klinge auf sich zutanzen.
    Seine Abwehr war das Beste, was ihm zur Verfügung stand, und dennoch trudelte sein Schwert haltlos in den aufstaubenden Sand. Sein Handgelenk schmerzte, als hätte Erenis ihn dort erwischt, aber das hatte sie nicht. Stahl war gegen Stahl geschlagen.
    »Du warst unaufmerksam. Noch mal.«
    Er zögerte. Unterschrieb er sein Todesurteil, wenn er sich bewaffnete?
    Aber die Mädchen. Sie missachteten ihn, das war ihnen deutlich anzusehen. Von unten herauf schauten sie
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