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Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Titel: Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
Autoren: Walter Fritz Müller
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Pier und streckte Edmund Friedanger beide Hände entgegen.
    »Woher hast du bloß diesen Schnitt, Edmund«, fragte er mit Tränen in den Augen, so glücklich war er über diesen Sieg. Er hatte schon unter Vater Friedanger Segel genäht. Und von daher stammte sein Vorrecht, den Sohn des Chefs mit Vornamen anreden zu dürfen.
    Nur sechs Jachten hatten sich für den günstigsten Kurs entschieden. Die anderen hatten entweder längst aufgegeben oder waren schiffbrüchig geworden. Friedanger kam mit deutlichem Vorsprung als Erster ins Ziel. Man wunderte sich, wieso eine Jacht mit genähten Segeln diese Regatta gewinnen konnte, denn heute fuhr man nur noch laminierte. Großmann musste sich zähneknirschend mit dem fünften Platz begnügen. Mit seinen Segeln konnte etwas nicht stimmen, das ahnte er wohl.
    Julia war glücklich. Sie winkte Friedanger vorsichtig zu. Es brauchte auch hier, mehr als achtzehntausend Kilometer von zu Hause entfernt, niemand die Verbindung zwischen ihnen beiden zu bemerken. Er zeigte ihr ein strahlendes Lächeln, warf ihr schüchtern eine Kusshand zu und atmete auf. Auf diesen Wettbewerb hatte er alle seine Hoffnungen gesetzt und gewonnen. Seine Auftragsbücher würden sich füllen, er würde nicht nur diesen Typ Jacht, sondern auch eine Menge anderer Boote verkaufen können. Vielleicht müsste er seine Produktion sogar aufstocken.
    Julia lehnte sich an das Geländer einer Holzbrücke. Von hier aus konnte sie alle Jachten beobachten, wie sie eine nach der anderen anlegten. Von hieraus konnte sie nahezu den ganzen Hafen sehen und ihren Blick weit aufs Meer hinaus richten. Sie atmete die salzige Luft ein, tief, immer wieder. Nun war alles vorbei, jetzt endlich konnte sie aufatmen. Sie fühlte sich so frei wie lange nicht mehr.
    Das musste gefeiert werden, und zwar so, wie Armin es sich immer vorstellte. Sie würde gleich Tom Ford anrufen und ihm sagen, er solle ihr das rote Kleid schneidern, das gleiche Modell, in dem Cyd Clarisse mit Fred Astaire 1957 getanzt hatte. Ihre Maße hatte er ja, er sollte sofort damit beginnen. Ferner brauchte sie schwarze Stulpenhandschuhe, die bis zu den Oberarmen hinaufreichten. Die roten Schuhe musste Rossi anfertigen, die Farbe selbstverständlich mit Tom Ford abstimmen, und dann brauchte sie auch noch eine tiefschwarze Perücke, aber das war für Sandra kein Problem. Wenn sie ihr das Foto von Cyd gab, würde sie das schon machen.
    Cyd hatte bei den Aufnahmen damals Ohrclips und eine enge Halskette aus Silber getragen. Julia trug zwar nie gern Schmuck, Silber erst recht nicht, aber wenn sie Armin in die Zeit entführen wollte, die er so sehr liebte, dann musste sie sich eben auch mit Silberschmuck anfreunden. So schlimm war das ja nun wirklich nicht. Es war doch nur für einen Tag. Einschließlich der Reisen und Anproben schätzte sie den Aufwand auf etwa 30.000 €, aber was bedeutete das schon, wenn sie dafür wieder eine jener unvergesslichen Nächte mit Armin genießen durfte? Und in dieser Nacht würde sie ihm alles gestehen, alle ihre Spionagefälle, ihren lesbischen Anflug, der beinahe heiße Wirklichkeit geworden wäre, und ihre Nächte mit dem Aufpasser, den Armin engagiert hatte, damit er sie vor Seitensprüngen bewahrte. Nein, das nicht, damit würde sie sich ja selbst in ein ungünstiges Licht stellen. Armin sollte sie bedauern, nicht ihr Untreue vorwerfen. Er sollte sich verteidigen, nicht sie. Er hatte sich bei ihr zu entschuldigen, weil er sie immer wie ein dummes Girl behandelt hatte. Dieses Schuldgefühl und die nachträgliche Angst um seine geliebte Spionin sollten die feste Basis für die Zukunft ihrer Ehe sein. Unerschütterlich, eisern, aus Granit, für immer und ewig. Sandra hätte gebeichtet, aber doch Julia nicht.
    »Schöner Erfolg«, sagte ein Mann mit sehr heller Stimme, der sich unbemerkt neben Julia gestellt hatte. Wie sie stützte er die Unterarme auf das Geländer und blickte aufs Wasser hinaus. Julia drehte ihren Kopf langsam zur Seite und sah den Mann an. Er war nicht sehr groß, sogar etwas kleiner als sie, und hatte rabenschwarzes Haar. Er kam ihr wie ein Chinese vor. Aber sicher war sie sich da nicht. Vielleicht ein Vietnamese oder ein Koreaner. Sie konnte Menschen aus Ostasien nie richtig zuordnen.
    »Oh, ich vergaß, mich vorzustellen«, sagte er, drehte sich zu ihr um und verbeugte sich mehrmals. Seine ganze Haltung drückte Hochachtung ihr gegenüber aus, aber Julia maß dem keine Bedeutung bei; die mitunter übertriebene
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