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Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Titel: Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
Autoren: Walter Fritz Müller
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Ziel war Wellington.
    Jetzt blies der Wind aus Nord. Blieb er dabei, dann war es am günstigsten, direkt East Cape anzusteuern. Drehte er aber nach Südost, dann war es günstiger, mit dem Nord so lange wie möglich Kurs Südost zu halten. Danach konnte man mit Dwarswind ordentlich Fahrt machen, während die anderen kreuzen mussten. Drehte er dann noch etwas weiter nach Süd, hatte man gewonnen, und die anderen waren hoffnungslos abgeschlagen – falls der Wetterbericht stimmte.
    Friedanger beriet sich mit seiner Crew, aber niemand wollte sich äußern. Sein Segelmacher schlug vor, Frau Getti entscheiden zu lassen, schließlich habe sie der Werft bisher nur Glück gebracht. Er wusste freilich ebenso wenig wie die anderen Mitarbeiter, welche Dienste sie ihnen tatsächlich erwiesen hatte. Alle glaubten, Frau Getti habe der Werft nur mit einer kräftigen Finanzspritze wieder auf die Beine geholfen. Dafür durfte sie die Jacht dann auch taufen. Doch Friedanger war mit dem Vorschlag nicht so recht einverstanden. Er meinte, man könne ihr diese Verantwortung nicht aufbürden.
    »Männer«, sagte er, »wir müssen selbst entscheiden. Gewinnen wir heute nicht, kann ich vielleicht eine zweite Chance für uns herausholen. Wir sollten zuversichtlich sein. Vertrauen wir auf die Konstruktion und ...«
    Hier stockte er und sagte dann, ein wenig unsicher: »Und vertrauen wir auf den Wetterbericht.«
    Damit war alles entschieden, jeder Zweifel ausgeräumt, die Crew ging an die Arbeit.
    Neun Uhr. Start. Bis Great Barrier Island waren es etwa 50 Seemeilen. Bis dahin mussten alle Jachten beisammenbleiben. Bei der Fahrt, die sie derzeit machten, hatten sie etwa drei Stunden Zeit, sich anders zu entscheiden. Friedangers Jacht, er hatte sie >Julia< taufen lassen, aber der Name stand noch nicht an der Bordwand, hatte nur zwei Konkurrenten vor sich.
    Es war Mittag. Great Barrier Island lag  backbord querab. Fast alle Jachten drehten auf Südwest, nur sechs hielten auf die offene See hinaus.
    »Sieh an«, sagte Friedanger, »die alten Hasen, die noch nie um diese Zeit einen drehenden Wind erlebt hatten, schon gar nicht nach Südost, vertrauen alle auf den Wetterbericht, selbst Großmann.«
    Der Wind frischte tatsächlich auf. Später erzählte der Crewmann der >SEB<, einer schwedischen Jacht: »Das Schiff geigte wie wild. Als es wieder einmal nach Luv Schwung holte, fühlte sich das irgendwie noch blöder an als sonst.«
    Und er rief: »Sie geht ab, Jungs!«
    Er sah noch die schwach glimmenden Zahlen auf dem großen Display. Speed: 28 Knoten, wahrer Wind: 42 Knoten. Das knapp 20 Meter lange Geschoss lief nach Lee aus dem Ruder, Eiswasser füllte das Cockpit, schoss in Kaskaden tonnenweise durch den leewärtigen Niedergang. Das Kohlefaserrigg schlug auf das schwarze Wasser, Salinge, Masttop und Spibaum bekamen einen Schlag, als wären sie auf Beton geprallt. Der lange Hebel der Spreizen drehte den Mast kurzerhand ab. Als das Schiff sich wieder aufrichtete, waren der Mast querab und das Deck besenrein. Unter Notrigg liefen sie in die Hawke Bay ein. Aus der Traum.
    Der australischen >News Corp< ging es nicht viel besser. Sie lief bei 40 Knoten Wind aus dem Ruder und schoss mit 21 Knoten Speed in die Sonne, schrammte an einer Stahltonne vorbei, die knapp unter der Oberfläche trieb. Es knirschte gefährlich. Eine direkte Kollision hätte das Schiff nicht überlebt. Wenig später brach das Ruder. Gesteuert unter Pinne und Notruder humpelte die >News Corp< Kurs West auf die Küste zu.
    Der Wind drehte. Und er drehte weiter nach Süd. Die unter Land gesegelt waren, gaben auf. Die >Julia< hielt sich sehr gut. Sie lief beständig um die 20 Knoten. Friedanger hatte keine Mühe, sie trotz der schweren See auf Kurs zu halten. Böen wich er durch leichtes Abfallen vom Wind aus.
    Großmann hatte gefährlich viel Leinwand gesetzt. Seine Jacht krängte stark. Großmann versuchte alles, um mit der Spitze mitzuhalten. Friedanger schaute durch sein Fernglas und verfolgte Großmanns Manöver. Großmann nahm keine Rücksicht auf das Material, und er hielt sich dicht hinter den drei führenden Schiffen. Großmann war zweifellos ein ausgezeichneter Skipper. Friedanger setzte das Glas ab und nickte anerkennend. Aber trotz seines seemännischen Könnens, trotz Risiko und sportlichen Einsatzes kam Großmann nicht an die Spitze heran.
    Die Regatta bescherte Friedanger einen ungeahnten Erfolg. Der alte Segelmacher, von allen Gustav genannt, stand in Wellington an der
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