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Klassenfahrt zur Hexenburg

Klassenfahrt zur Hexenburg

Titel: Klassenfahrt zur Hexenburg
Autoren: Stefan Wolf
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bei ihm hätte
es noch nie einen Unfall gegeben.“
    „Weil sich die Fahrer Zeit
lassen“, lachte Annette. „Nichts riskieren, lieber etwas zu spät ankommen. Was
ja richtig ist.“
    „Die Raserei ist eine der
Hauptursachen für Unfälle“, nickte Gaby. „Mein Papi hat mir die Statistiken
gezeigt. Raser kommen nicht schneller ans Ziel, sondern nur schneller und
häufiger ins Krankenhaus. Egal ob mit Wagen, Motorrad, Lkw oder Bus.“
    „Also Geduld.“ Annette nahm
ihren Rucksack ab und stellte ihn zwischen die Füße. Sie hatte auch ihre
Kleinbild-Kamera mit und wollte jetzt ein computergesteuertes Foto machen — von
allen, also ein Gruppenfoto.
    22 Mädchen und eine Lehrerin
postierten sich und lächelten. Annette schoss drei Fotos. Sie war ein Jahr
älter als Gaby, dunkelhaarig und hübsch, trug allerdings immer noch Zahnspange.
Beim Küssen, so hatte sie ihrer Freundin anvertraut, nehme sie die jedoch raus.
Denn Detlef, in den sie total verliebt war, hatte sich neulich an der Lippe
verletzt.
    „Von den menschlichen Gebeinen
in der Hexenburg“, erklärte Annette, „werde ich irre Gruselfotos machen. Die
können wir dann verwenden für unsere nächste Anti-Raucher-Kampagne, falls wir
die Zigaretten-Industrie noch nicht in die Knie gezwungen haben und man in
diesen Suchtstoff-Fabriken nicht endlich vernünftig wird. Diesmal haben wir
ihnen ja bereits nahegelegt, statt Tabak doch lieber biologisch gedüngte
Südfrüchte anzubauen. Zum Beispiel Bananen. Wenn die vollreif, nämlich braun
sind, sehen sie fast aus wie Zigarren.“
    Käthenring sah auf die Uhr.
„Jetzt reicht’s. Die haben uns vergessen. Ich rufe an.“
    Sie ließ ihren City-Rucksack
zurück und eilte in die Schule.
    Absolut richtig!, dachte Gaby.
Jetzt ist es schon 20 Minuten über die Zeit. Das ist nicht Vorsicht, das ist
Bummelei. Die Mädchen unterhielten sich. Die Themen waren vielfältig. Zum
Beispiel: Tim, Christian, Benedikt, Felix, Michael, Bernd, Robert, Detlef,
Andreas, Martin, Alex... Käthenring kam zurück.
    „O weh! Es kann noch dauern.
Bei Sun-Reisen ist was schief gelaufen. Ich habe den Chef gesprochen, Herrn
Sonnig. Er hat ja ein Dutzend Busse. Aber alle sind europaweit unterwegs. In
Paris, Rom, an der Ostsee und sonstwohin. Unser Bus kommt direkt aus
Südfrankreich, von der Meeresküste, nämlich aus Chicvillage. Das war der
Standort für eine Reisegruppe. Alles ältere Herrschaften. Zwei Wochen lang sind
sie jeden Tag umhergefahren — zwischen Monaco und Genua. Tagesausflüge. Und
dann auf einen Sitz von Chicvillage hierher zurück. Die Nacht durch. Um sechs
Uhr früh sollte der Bus hier sein. Aber er ist noch nicht da. Wegen der gestrigen
Naturkatastrophe. Ihr habt es sicherlich in den Fernseh-Nachrichten gesehen.
Südlich der Westalpen sind ganze Straßen vom Unwetter unterspült, sind
weggerissen und Berghänge sind runtergekommen wie Schneelawinen. Das totale
Chaos. Unser Bus musste einen Riesen-Umweg fahren. Aber eben hat sich der
Fahrer telefonisch gemeldet. Er wird bald hier sein — mit seinen genervten
Fahrgästen.“
    Bestürzung.
    „Ja, und dann?“, fragte Gaby.
„Der Bus muss doch aufgetankt, überprüft und gereinigt werden.“
    Käthenring lächelte. „Das
Auftanken geht schnell. Zu allem andern ist sicherlich keine Zeit. Wir kriegen
einen Bus mit powarmen Sitzen. Macht ja nichts. Oder sind wir zimperlich? Nur
die Fahrer wechseln. So nach Art des fliegenden Wechsels.“
    Kommt er also aus Chicvillage,
überlegte Gaby. Für Tim und mich ist das schon der Schnee von vorgestern.
Trotzdem ulkig. Chicvillage verfolgt uns irgendwie. Aber vielleicht liegt’s
daran, dass der Ort zur Zeit so wahnsinnig zeitgemäß ist, so total in.
    Die Mädchen stimmten ab und
beschlossen mit null Gegenstimmen, in dem kleinen Café vis-à-vis zu warten,
denn dort gab’s ganz tollen Cappuccino.

21. Rizners Bus hat Verspätung
     
    Paul Ossinsky schnarchte, aber
sein Schlaf war nur noch leicht.
    Der Schlupfwinkel: ein kleines
Haus am Stadtrand, von einem unbescholtenen Komplizen gemietet, blickdichte
Hecke, geschlossene Einfahrt, ein Kombi in der Garage, Nachbarn, die nicht
neugierig waren und sich nur um sich selbst kümmerten.
    Das Telefon schrillte.
    Ossinsky war sofort wach,
zögerte einen Moment, griff dann zum Hörer.
    Blick auf die Uhr. Es war 9.12
Uhr.
    „Ja?“
    „Boss! Ich bin’s. Rizner.“
    Die Stimme des Busfahrers klang
wie 100 aufgelöste Schlaftabletten.
    „Ja?“ Jetzt war Ossinsky mehr
als wach, hellwach.
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