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Klassenfahrt zur Hexenburg

Klassenfahrt zur Hexenburg

Titel: Klassenfahrt zur Hexenburg
Autoren: Stefan Wolf
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während ich, eine Schande! — verschlafen habe. Sonst wäre nämlich
dieser Mistkerl hinter Gittern. Seine Organisation wäre aufgerieben. Der Schuss
auf Gabys Vater wäre gerächt. Und die Junkies und Fixer und Drogenabhängigen in
unserer Millionenstadt hätten keinen Nachschub und müssten auf Entzugs-Therapie
umsteigen, auf Drogen-Entwöhnung, was ein Segen wäre — für sie selbst, fürs
Gemeinwohl und für die Krankenkassen.“
    Karl und Klößchen machten große
Augen.
    Bericht. Dann Stille.
    „Ich weiß, ich bin schuld“,
sagte Tim. „Ich habe schon Nächte lang nur jede zweite Minute geschlafen. Aber
wenigstens Herr Glockner tröstet mich. Er sagt, die Polizei wird den Mistkerl
noch kriegen.“
    „Jedenfalls wart ihr zweimal
dicht an ihm dran“, sagte Karl. „Chicvillage und Hochsteupen. Ossinsky sieht
sich offenbar ganz als Europäer, wohl so eine Art Vorläufer einer neuen
Ganoven-Generation. Gibt’s eine Spur von ihm?“
    Tim schüttelte den Kopf. „Sein
Mietwagen wurde in Stuttgart aufgefunden. Er selbst hat sich in Luft aufgelöst.
Kommissar Döllner glaubt nicht, dass er hierher zurückkommt. Gabys Vater hält’s
auch für eher unwahrscheinlich. Logo! Ossis alte Wohnung ist nicht nur
versiegelt — sie wird auch beobachtet. Dorthin zurück kann er nicht. Aber rein
instinktiv würde ich mal sagen, dass es hier noch andere Schlupfwinkel für ihn
gibt. Er hat ja mindestens ein Dutzend Komplizen — was deutlich wurde bei der
Belagerung der Burg. Ich meine also: Ossinsky kann durchaus hier sein. Das
heißt: Augen auf!“
    „Vielleicht“, überlegte Karl,
„lässt er sich nochmals die Visage operieren.“
    „Geht denn das öfter?“, fragte
Klößchen.
    „Gewisse Damen“, wusste Gaby,
„lassen sich — sobald die zweite Jugend ausbricht — jedes Jahr liften. Also die
Haut glätten durch Operation. Immer wieder. Nach dem zehnten Mal können sie
zwar den Mund nicht mehr schließen oder leiden unter Dauerlächeln wegen
hochgezerrter Mundwinkel — und der Haaransatz rutscht ziemlich weit über den
Kopf, aber die Haut ist immer wie... wie...“
    „...wie der knackige Po eines Säuglings“,
half Tim bildhaft. „Hast Recht, Gaby. Der Mensch hält was aus. Eine zweite
Operation für Ossinsky wäre ein Kinderspiel.“
    „Vielleicht lässt er eine Frau
aus sich machen“, grinste Karl. „So was geht auch.“
    „Das setzt aber einen
grundlegenden Sinneswandel voraus“, sagte Tim. „Suchen sollten wir nach dem
Ossinsky, den wir zuletzt im Burghotel sahen: etwa 38, dunkelhaarig, groß und
markant. Und mit Klamotten vom Feinsten.“ Dann wechselte das Thema, denn Gaby
hatte schon den Glanz der Vorfreude in ihren Vergissmeinnicht-Augen. Morgen
früh, Schlag acht Uhr, begann die Klassenfahrt zur Hexenburg in Kryzcincla, die
Klassenfahrt der 9a vom Mädchen-Gymnasium. Und Gaby, eingeladen nicht nur von
ihrer Freundin Annette Blechle, sondern von allen — Gaby war ja dabei.
    Dr. Helga Käthenring, die
Klassenlehrerin, hatte Gabys Mutter bereits mitgeteilt, dass sie alles geregelt
hätte — nämlich mit Dr. Freund, dem Direx der TKKG-Internatsschule. Gaby durfte
mit und war für drei Tage, von Montag bis Mittwoch, vom Unterricht befreit.
    Tim sah das zumindest mit einem
weinenden Auge. Drei Tage ohne Pfote? Schrecklich! Aber natürlich gönnte er ihr
den Spaß und sagte kein Wort.
     
    *
     
    Früher Morgen. Sonne, noch Tau
auf den Wiesen im Park, klare Luft, aber auf den Straßen die erste Rush Hour
mit Blechlawinen, Abgasen und Gestank. Vor dem Theresien-Gymnasium im Stadtteil
Richtstetten hatten sich 23 Mädchen versammelt, einschließlich Gaby. Mit dabei
war Dr. Helga Käthenring, eine Gymnasiallehrerin von ca. 40 mit kessem
Kurzhaarschnitt und etwas geröteter Nase, weil sie zu Heuschnupfen neigte.
Helga Käthenring war beliebt, fast eine Freundin der Mädchen. Die meisten waren
15, einige schon 16, Gaby heute und hier die Jüngste. Das Reisegepäck, die
Siebensachen für drei Tage, war überwiegend in schicken Rucksäcken
untergebracht. Jetzt also Vorfreude mit einem kühlen Schauder auf der Haut,
denn die Hexenburg galt ja wirklich als eine schaurige Stätte.
    „Wo bleibt nur der Bus?“,
meinte Käthenring und blickte die belebte Theresien-Straße entlang. „Acht Uhr
war ausgemacht und jetzt ist es schon zehn nach.“
    „Von welcher Firma ist denn der
Bus?“, fragte Gaby. „Von Sun-Reisen. Eigentlich ein zuverlässiges
Bus-Unternehmen. Ich kenne Herrn Sonnig. Er hat mir versichert,
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