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Klassenfahrt zur Hexenburg

Klassenfahrt zur Hexenburg

Titel: Klassenfahrt zur Hexenburg
Autoren: Stefan Wolf
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„Wo bist du? Endlich hier?“
    „Wir sind eben eingetroffen.
Ich und 42 halbtote Onkels und Tanten. Keiner unter 70. Aber Ansprüche wie
Teenies beim ersten Rendezvous. Nachts hat der Bus gedröhnt wie ein Sägewerk.
So haben die geschnarcht. Aber ich musste fahren. Allein! Diese Strecke! Schon
das ist verboten. Und dann noch die eingeschweißte Ladung unter der Achse.“
    „Ich bedauere dich später. Wo
ist der Stoff?“
    „Das... äh... deshalb rufe ich
an.“
    „Was ist damit?“ Ossinskys
Stimme schnitt Glas.
    Natürlich wusste er längst,
dass die Sache mit dem Rover ein Reinfall gewesen war, weil sich Gaston Midi —
dieser Idiot! — den Werkzeugkasten auf den Kopf fallen ließ, statt die acht
Kilo Heroin reisefertig zu verstecken. Also hatte Volker Rizner einspringen
müssen — mit dem Sun-Reisen-Bus als Transportgefährt, was allerdings viel
riskanter war — wegen Rizners Vorstrafen und weil die ehemaligen Zollfahnder
immer noch in Grenznähe rasterfahndungsmäßig Kontrollen machten, besonders bei
scheinbar harmlosen Reisebussen. Freies Europa hin oder her. Gemeinschaftswährung
ja oder nein — reiselustige Rentner schmuggeln nun mal gern, denn auch der
Lebensabend braucht seinen Kick.
    „Äh... Boss, ich bin eben erst
angekommen. Und total geschafft.“
    „Jaul nicht rum! Wo ist der
Stoff?“
    „Noch... im Bus.“
    . „Soll das Zeug dort
verschimmeln?“
    „Ich konnte es noch nicht
rausnehmen. Schließlich muss ich ganz viel montieren. Dafür brauche ich zwei
Stunden. Mindestens.“
    „Worauf wartest du? Willst du
erst ein Schläfchen machen?“
    „Nein, natürlich nicht. Aber...
also, der Bus ist nicht mehr da.“
    „Was heißt das?“
    „Er... ist weg.“
    „Was heißt das?“, brüllte
Ossinsky.
    „Reg dich nicht auf, Boss!
Also, der Bus ist schon wieder unterwegs. Kaum dass meine Leute Zeit hatten zum
Aussteigen. So wie die Kiste ist, hat Berti Seidenwanst sie übernommen. Ist ein
Kollege. Denn eigentlich hätte ich ja um sechs Uhr früh hier sein müssen,
spätestens. Aber dann das Chaos... Na ja, es ist nicht meine Schuld. Für acht
Uhr war die nächste Reise gebucht. Und Berti ist sofort losgebrettert. Getankt
hatte ich ja schon in Riesbach-Kehrtheim. Also ziemlich nahe. Der Tank ist noch
voll.“
    „Dein Kollege“, sagte Ossinsky
mit gefährlicher Ruhe, „fährt also unseren Stoff spazieren. Acht Kilo Heroin.“
    „In drei Tagen ist er zurück.“
    „Bist du wahnsinnig!“ Ossinsky
brüllte abermals. „Morgen sind die Typen aus Wien hier. Morgen ist allerletzter
Termin. Ich hab schon ‘ne Anzahlung über 500 000. Das ist die
Schnee-und-Nadel-Connection, du Armleuchter. Für jeden Tag, den ich überziehe,
hacken die mir einen Finger ab. Sind zwar alles Deutsche und Österreicher. Aber
ihre Methoden haben sie aus Japan übernommen. Rizner, ich lege Wert auf meine
Finger. Auf alle. Ich brauche sie zum Händewaschen, zum Nasenbohren, zum
was-weiß-ich. Morgen früh muss ich den Stoff haben, die ganzen acht Kilo.“
Rizner seufzte erschöpft. Zu mehr war er nicht fähig. „Wohin geht die Fahrt?“
    „Nach Kryzcincla, zu dieser
Hexenburg.“
    „Wer hat gebucht?“
    „Eine Schulklasse. Nur Mädchen
vom Theresien-Gymnasium. Etwa 20 plus Lehrerin.“
    „Wie alt?“
    „Ich kenn die Lehrerin nicht,
aber...“
    „Idiot! Ich meine, wie alt sind
die Mädchen? Kleine, große?“
    „Teenies, glaube ich. So um die
15 Jahre.“
    Ossinsky überlegte. Stille in
der Leitung. Und Rizner, dem kriminellen Busfahrer, fielen allmählich die Augen
zu.
    „Nach Kryzcincla, sagst du?“,
ließ sich Ossinsky vernehmen. „Wie lange dauert die Fahrt?“
    „Äh... mindestens vier
Stunden.“
    „Kennst du die Strecke?“
    „Wie meine Wohnung.
Ausflugsfahrten zur Hexenburg gehören zum Sun-Reisen-Programm. Wir hatten schon
Typen dabei — die haben versucht, einen alten Knochen zu klauen. Als Andenken.
Es gab Ärger.“
    „Wir fahren sofort los.“
    „Was?“
    „Nur wir beide. Die andern
Jungs sind alle schon abgetaucht. Brauchen Erholung, diese Leerbrenner. Die
Belagerung des Burghotels war zu anstrengend. Es ist nicht zum Aushalten
heutzutage mit den Mitarbeitern. Riesenansprüche, aber wenig Einsatz. Dann
könnten sie ja gleich ehrlich werden und sich beim Arbeitsamt einen Job
suchen.“
    „Boss, ich bin todmüde. Ich...“
    „Trink einen Kaffee! Du holst
mich ab. In einer halben Stunde. Du weißt, wo ich bin. Waffen habe ich hier und
alles, was wir brauchen. Wir schnappen uns den Bus.
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