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Klassenfahrt zur Hexenburg

Klassenfahrt zur Hexenburg

Titel: Klassenfahrt zur Hexenburg
Autoren: Stefan Wolf
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Die Mädchen und die
Lehrerin sind kein Problem. Was ist dein Kollege für ‘n Typ?“

    „Berti Seidenwanst? Ein Softie,
ein Weichei.“
    „Umso besser. Natürlich müssen
wir die Aktion tarnen. Wir tun so, als würden wir die Mädchen kidnappen und
wären auf Lösegeld aus. Später verlieren wir dann den Mut und geben auf.
Inzwischen haben wir natürlich das Heroin an uns gebracht. Was niemand bemerken
darf. Sonst fliegst du nämlich auf. Denn niemand sonst kann die heiße Ware in
der Kutsche versteckt haben. Die Vorgeschichte ist ja nicht wie bei Waldemar
Dörings Rover. Himmel, wenn ich daran denke! Dieser Zirkus! Für nichts! Nur
weil Gaston... Aber der Blödmann hat ja seine Strafe. Der wird noch lange
Kopfschmerzen haben.“
    „Die habe ich auch“, murmelte
Rizner. „Also gut, ich komme.“

22. Die Chronik der Hexenburg
     
    Wie am Vortag saßen die Jungs
in Karls Bude, also in der Vierstein-Villa, knabberten an Vollkornkeksen und
tranken Fruchtsaft. Klößchen vertilgte außerdem riegelweise Schokolade. Es war
früher Nachmittag. Im Nachbargrundstück wurde der Rasen gemäht. Vor dem
geöffneten Fenster surrte immer wieder dieselbe Wespe vorbei. Sie war
ungewöhnlich groß. Tim behielt sie im Auge.
    Ohne Pfote ist unsere Runde
geradezu farblos, dachte er. Und noch zwei solcher grauen Tage werden folgen —
egal, ob die Sonne lacht und die Ozonwerte steigen.
    „Ich war schon in der
Hexenburg“, erklärte Karl gerade. „Mit meinen Eltern. An einem verregneten
Sonntag war’s. Irres Gemäuer, diese Burg, die eigentlich ein kleines Schloss
ist. Liegt ziemlich dicht an der tschechischen Grenze. Bergige Gegend mit
Schluchten und Höhlen. Nach dem Besuch der Hexenburg hatte ich zweimal
Alpträume. Sind Fakten gefällig?“
    „So interessant sind deine
Alpträume nun auch wieder nicht“, meinte Klößchen.
    „Fakten über die Hexenburg!“,
sagte Karl. „Was denn sonst!“
    „Bevor du eine geschichtliche
Vorlesung hältst“, sagte Tim, „noch ‘ne Frage: Dein Handy ist garantiert in
Ordnung?“
    Karl und Klößchen grinsten.
    „Das hast du schon dreimal
gefragt“, erwiderte Karl. „Ja, es ist in Ordnung, ist technisch perfekt. Und
Gaby kann damit umgehen. So gut wie... wie mit ihrer Zahnbürste.“
    Tim hatte darauf gedrungen,
dass zu Gaby ein unmittelbarer, fernmündlicher Kontakt bestand. Karl hatte ihr
dafür sein Handy mitgeben müssen, was er natürlich gern tat. Und Gaby hatte
versprochen, dass sie sofort nach Ankunft in der Jugendherberge von Kryzcincla
anrufen werde. Der Ort — kaum dass er den Namen verdiente — bestand nur aus
Jugendherberge, einem Hotel und der Hexenburg.
    „Ich meine ja nur.“ Tim
grinste. „Ich weiß auch nicht, wieso, aber ich habe irgendwie ein saublödes
Gefühl.“
    „Hast du doch immer, wenn Gaby
mal allein unterwegs ist“, sagte Klößchen. „Manchmal frage ich mich: Bist du
ihr Freund oder ihr Bodyguard?“
    „Beides“, stellte Karl fest.
„Und im Prinzip ist das gut. Darf aber die Freiheit eines Mädchens nicht
einschränken. Und kein Stolperstein sein auf dem Weg zur sogenannten
Selbstverwirklichung. Der perfekte Freund macht seinen Job als Bodyguard bei
der Liebsten also unauffällig. Sie sollte es gar nicht merken, wenn die
schlimmen Macker in ihrer Nähe aufgemischt werden.“
    „Dann entsteht aber ein
falsches Weltbild in den weiblichen Köpfen“, gab Klößchen zu bedenken. „Sie
könnten denken, das Leben sei ungefährlich, der Mensch an sich gut und die Welt
halbwegs in Ordnung. Ist der Bodyguard dann weg, fallen sie aus allen Wolken.“
    Tim seufzte. „Bitte, Karl,
deinen Vortrag! Wie schrecklich ist die Hexenburg?“
    „Da muss ich mal historisch
ausholen, nämlich zurückgehen ins Jahr 1143. Damals gründeten
Zisterzienser-Mönche dort ein Kloster. Nichts Umwerfendes — und umgeben von
grüner Wildnis werkelten die frommen Brüder vor sich hin. Aber 1278 gab’s einen
Abt namens Georg. Der hatte einen heißen Draht zum böhmischen König und wurde
als Botschafter nach Jerusalem geschickt. Dort hat er sich eine Handvoll Erde
vom Berg Golgatha gegriffelt und als Reiseandenken mitgebracht. Genialer Coup.
Denn die Erde hat er auf dem Friedhof des Klosters verstreut. Das hat sich —
trotz weltferner Abgelegenheit von Kryzcincla — sehr schnell rumgesprochen.
Damit bekam der Gottesacker den Ruf, heiliges Land zu sein. Das war damals was
— denn die Jets flogen noch nicht ins Heilige Land. Die Reise dorthin konnte
Jahre dauern und
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