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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen
Autoren: Reinhard Febel
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verächtlich dreinschauend, und wisperte: »Da sehe ich eine neue Herrin, sie ist jung, oh, sehr jung und sehr mächtig. Ihr werdet Eure Freude an ihr haben, wenn Ihr sie das Reiten lehrt, jaja, das erwartet sie von Euch und nicht nur gemeinsames Liedersingen …«
    Maria Barbara ist nun eine erwachsene Frau … Was denke ich denn da …
    »Und noch eine andere, ältere Gefährtin, ebenfalls jünger zwar als Ihr und schön, doch, o weh, die wirst du wirklich lieben, das ist schlecht …« Sie hatte die Mundwinkel herabgezogen wie von zwei Gewichten beschwert, links und rechts, vielleicht Stolz und Neid, was hieß: Auch ich war einmal jung und bin es innen immer noch …
    Die Alte lehnte sich zurück und entließ den Zwerg mit einem Schubs aus der Kugel, denn das Portal war im Begriff, sich zu schließen.
    »Mehr kann ich nicht sagen«, murmelte sie. »Der Kleine dort ist müde und lässt mich nicht mehr ein.« Sie strich sanft über die Kugel, voller Liebe, so wie man über den Scheitel eines Kindes fährt. »Ein Letztes noch: Halte dich an die Ruhelosen, die Wanderer, die Fahrenden, denn von dieser Art bist auch du.«
    »Die Fahrenden …?«
    »Man wird dich sowieso finden.«
    Wer? Doch die Audienz war beendet. Escarlati begriff dies sogleich durch einen Wandel der Stimmung, des Lichtes, der Geometrie und fragte nicht weiter. Betäubt blickte er sich um, vermeinte, nun noch mehr verwelkte Rosen wahrzunehmen als zuvor, grau und trocken, bloßer Staub, der sich bewegungslos auf den Stängeln hält, bis er abfällt wie Zigarrenasche. Als hätten die Blüten Farbe, Duft und Substanz an die Vision abgegeben. Einen Moment lang glaubte Domingo abermals, es rieche verbrannt, doch dann wehte wieder Rosenduft durch den Raum.
    »Vielen Dank«, sagte er.
    »Wofür?«, antwortete die Frau, als könne sie sich an nichts erinnern.
    Escarlati erhob sich und wollte die Hand der Zigeunerin ergreifen, doch die Frau sprang auf und schob ihn mit beiden Händen fort wie einen Liebhaber, wenn der Gatte unerwartet heimkehrt, dabei furchtsam hinter sich blickend. Ein Lichtblitz ging von der Glaskugel aus und machte Escarlati blinzeln: Die Sonne stand nun tiefer, und ein Fenster war gleißend hell. Ihre Hände auf seine Schultern gedrückt bugsierte die Alte Domingo wie in einem Kinderspiel durch den verwinkelten Flur, bis er wieder auf der Gasse stand. Die schwarze Gestalt verharrte eine Weile im Türausschnitt, doch Escarlati war benebelt, vielleicht vom Rosenduft, verstand das Offensichtliche der Geste nicht und vergaß zu bezahlen.
    Es schien ihr nichts auszumachen. Sie drehte sich flink wie ein junges Ding und verschwand.
    In dieser Stadt kann man sich nicht verlaufen. Escarlati wandte sich der Giralda zu, die wie ein Leuchtturm über der Häuserlandschaft aufragte, folgte ihr zurück zur Kathedrale und dachte über das Geschehene nach. Er glaubte nicht an Übernatürliches – was übrigens seine Arbeit im Vatikan nicht wesentlich gestört hatte – und war dennoch abergläubisch, dies sicherlich ein Widerspruch, und zwar einer, der es ihm nicht gerade erleichterte, sich auf die Visionen der alten Gitana einen Reim zu machen.
    Zunächst sucht der Geist nach rationalen Erklärungen, da ihm das Unerklärliche Angst macht, kommt es doch aus einer anderen Sphäre, in der allerhand Ungemütliches hausen mag – und deren Erklärungsversuche gibt es zwei: Einiges wird über indirekte Wege, also durch Erkundigungen in Erfahrung gebracht worden sein, und einiges sieht man dem Kunden an, liest es ab aus Blick, Gang, Handbewegung, Stirnschweiß und was auch immer. Doch der Rest? Ein Teil folgt aus Kombinationen von Erstem und Zweitem. Doch der Rest des Restes?
    Escarlati schubste einen Stein vor sich her, seufzte, wich einer zerzausten Katze ohne Schwanz aus, die in einer der Fahrspuren des Kutschweges saß, und dachte an Musik. Klänge, Motive und Melodien begannen in seinem Kopf zu kreisen.
    Doch Komponieren geht noch nicht. Noch ist es nicht an der Zeit.
    Leere im Kopf wäre jetzt besser.
    »Sie hat recht«, murmelte er. »Immer mit der Ruhe.« Nur in einem leeren Speicher kann man neue Waren türmen. Und ich erwarte einen wichtigen Transport für dich, geliebtes Cembalo.

5
    Vom Balkon ihres Ankleidezimmers aus hatte Maria Barbara einen ersten Blick auf den Meister erhascht. Gerade, als Escarlati sich aufmachte, die Stadt zu erkunden, war sie zwischen die Blumenkästen herausgetreten und hatte ihn von fern gesehen und sogleich erkannt. Oder
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