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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen
Autoren: Reinhard Febel
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Amphitheater aus Leere und Regen, ohne Schauspieler, doch dahinter stand eine grandiose Wolkenkulisse bereit, von weiß bis grau schattiert und in ständiger Umwälzung.
    Zuerst dachte er, in der Mitte der Ebene stünde ein Stier, seine Silhouette auf den Dunst gezeichnet – doch wo war dessen Kopf?
    Dann erkannte er das verschollene Cembalo. Da stand es im Regen. Niemand war zu sehen, und Escarlati wagte sich näher heran.
    Seltsam, dachte er: Warum haben sie nicht versucht, es zu Geld zu machen?
    Nun, man hätte es wohl erkannt und sogleich als Eigentum der königlichen Familie identifiziert, sagte er sich – und wer verspielt schon für ein paar Goldmünzen seine Freiheit? Bei Gitanos war dies wohl nicht nur die Freiheit, sondern gleich das Leben.
    Escarlati hatte Mitleid mit dem armen, geschundenen Instrument. Es war nur noch ein Wrack und troff von Wasser. Das Furnier hatte sich gelöst und die empfindlichen Holzkanten freigelegt. Dort sog sich die Feuchtigkeit fest, und die Ränder quollen auf wie Mäuler.
    Der Resonanzdeckel stand geöffnet, von der Stützstrebe gehalten. Hunderte von Tropfen glitten parallel die Schräge hinab, hinterließen ihre Bahnen und huschten dann in das rostig-braune Scharnier, das den Deckel mit dem Korpus verband.
    Ruiniert. Da war nichts mehr zu machen.
    Die schwungvollen, mit Goldbronze überzogenen Stuckverzierungen unterhalb der Klaviatur und an den Beinen waren abgeschlagen; vielleicht hatte jemand geglaubt, sie bestünden aus purem Gold?
    Überall im Stuck klafften weiße Höhlungen wie Bisse, und große Teile der barocken, spiralförmigen Ornamente fehlten. Domingo dachte an Brocken herausgerissenen Fleisches; nun waren die Beine des Instrumentes dürr, als stünde es nur noch auf den Knochen.
    Einige der ausgebrochenen Klumpen lagen im Sand, ihr Inneres sichtbar wie die schaumige Füllung vergoldeter Süßigkeiten. Das Haupt eines geschnitzten Engelchens, einst Griff des Lautenzuges, lag dazwischen, halb in die Erde gedrückt.
    »Die Zeit des Cembalos ist vorbei – nicht nur dir geht’s an den Kragen«, murmelte Escarlati und strich liebevoll über den mit Intarsien verzierten Deckel seines Freundes, wobei er eine winzige Flutwelle über das Holz schob.
    Dann schaute er in das Instrument wie in einen Teich. Die Saiten waren ziegelfarben vom Rost. Auf dem Resonanzboden standen kleine Pfützen.
    Da rauschte ein kleiner Vogel unter dem Deckel hervor und stob davon. Ein leiser, gezupfter Ton blieb in der Luft hängen. Domingo beugte sich tief hinab und entdeckte im Diskant ein paar zwischen die Saiten gestopfte Zweige: die ersten Verstrebungen eines Nestes.
    Escarlati lächelte, stellte den Hocker auf, der neben dem Cembalo im Sand lag, setzte sich und schlug ein paar verstimmte Akkorde an …

A BSPANN
Domingo Escarlati
    folgt dem spanischen Hof nach Madrid und bleibt dort bis zum Ende seines Lebens.
    1739 stirbt seine Frau Maria Catalina mit 27 Jahren. Wie von der Wahrsagerin vorausgesagt, heiratet er noch ein zweites Mal, und zwar eine gewisse Anastasia Ximenes aus Cádiz, von der wir außer dem Namen nichts wissen.
    Er arbeitet im Verborgenen und erscheint fast nie in der Öffentlichkeit. Von ihm existieren keine Handschriften, keine Porträts und so gut wie keine Briefe oder Berichte von Zeitgenossen. Am 23.7.1757 stirbt Escarlati zu Hause in der Calle de Leganitos in Madrid.
    Er hinterlässt insgesamt 555 Sonaten für Cembalo beziehungsweise Klavier, die mittlerweile als eines der größten und genialsten Werke der Klavierliteratur gelten. Seine Grabstätte ist nicht mehr auffindbar.
    Japón träumt weiterhin Jahr für Jahr davon, die Heimat seiner Vorfahren zu besuchen, doch dies bleibt ein Traum, zumal in Japan, wo nach schlechten Erfahrungen mit westlichen Missionaren und Kaufleuten die Epoche des Sakoku, der Isolation, begonnen hat. Doch noch im hohen Alter erzählt Japón seinen Enkeln gerne Geschichten von den Samurai des Königreiches Voxu.
    Candela heiratet Don Bartolomé Sotelo de Ribera, einen betagten Gutsherrn und Mitglied des Stadtrates von Sevilla. Kurz nach der Hochzeit schenkt sie ihm einen Sohn, der, wie man munkelt, einem hohen geistlichen Würdenträger wie aus dem Gesicht geschnitten sein soll. Oft und gerne besucht Candela, was Don Bartolomé ausdrücklich erlaubt, ihren geliebten Bruder Curro.
    Curro Montoya allerdings verschwindet während der von König Fernando VI., dem Gemahl Maria Barbaras, organisierten Gran Redada, der Großen Razzia gegen
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