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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen
Autoren: Reinhard Febel
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hoher Stirn, die wie Schiffe, halb über dem Wasser, durch das bunte Meer aus Garn pflügten.
    War die Audienz beendet? Nein. Noch nicht. Der König hatte neue Kraft geschöpft.
    »Sie beruhigt mich durchaus«, sagte er und sprach erneut von Escarlatis Musik. »In Madrid werdet Ihr regelmäßig für mich spielen, nur für mich allein.«
    Madrid?
    »Mag sein, dass es mir sogar gelingt zu schlafen, dass die Finsternis der Töne mich besänftigen kann und die Kerzen der Gedanken ausbläst. Elende Flammen des Geistes! Wer zündet sie immer wieder an? Diesen verfluchten, qualmenden Kronleuchter …«
    Er war weit weg, und wieder einmal fragte sich Escarlati: Wie kann ein solcher Mann Spanien regieren?
    »Und eigenartig doch «, murmelte Felipe. »Nicht die lichten Passagen Eurer Werke sind es, die mich zur Ruhe wiegen, nicht die Tänze, die heiteren Siciliani, Fanfaren. Nein, das Nächtliche, Dunkle, das Ungreifbare in der Welt … Haha – ungreifbar! Merkt Ihr den Doppelsinn? Eure Akkorde – Eure Spezialität – und das Unfassbare in der Substanz des Daseins, Haarrisse, Krakeleien – nehmt mir das nicht übel –, Zeichen …«
    Der Monarch saß in seinen Sessel gedrückt, unbeweglich, die Arme wie Löwenpfoten auf den Lehnen, die Hände gepflegt, die Nägel abgekaut.
    Da hat er recht, dachte Escarlati und empfand Mitleid mit dem verstörten Staatenlenker, dessen Wirrnis die des Predigers noch übertraf.
    »Weiter so«, sagte der König und fügte mit gesenkter Stimme hinzu: »Spielt mir alles vor, auch wenn es den anderen nicht gefällt … die verstehen nichts … gilt?«
    »Gilt«, sagte Escarlati.
    Als eine Delegation kirchlicher Würdenträger angekündigt wurde, erhob sich der König flink und war ein anderer Mensch.
    Die Flügeltüren schwangen auf, ein Lakai zog die schweren Vorhänge von den Fenstern, die Nachmittagssonne brannte herein, und König Felipe blinzelte nicht, auch zerschmolz er nicht zu Wachs.
    »Bleibt doch noch ein wenig, wenn es Euch interessiert. Nehmt Euch eine Tasse Schokolade«, sagte der Monarch zu Escarlati und machte sich an die Begrüßung der Geistlichen, Mönche und Inquisitionsbeamten.
    Monseñor Rávago war unter ihnen, ebenso der in Candela vernarrte lange Lulatsch mit den violetten Borten am Rock. Im Gefolge des Trupps von höheren und untergeordneten Beichtvätern schlich auch Prinz Fernando in den Saal, wie immer hündisch verkrampft, als spiele ein schöner Mensch mit Hingabe einen Verkrüppelten.
    Der Prinz nahm Escarlati nicht wahr. Rávago nickte dem Meister beiläufig zu. Dieser fühlte sich fehl am Platz, wollte fliehen, doch wagte er es nicht, denn eines Königs Vorschlag ist Befehl.
    So griff er sich eine Tasse Kakao vom Tablett, das ein Diener herumreichte, stellte sich in eine Ecke des Salons, mit dem Rücken zur Wand, und machte sich so gut wie möglich unsichtbar.
    Es ging um dies und das, nichts Besonderes, allwöchentliche Bekanntmachungen, Klärungen von Rechtsangelegenheiten, Koordination kirchlicher und staatlicher Aktivitäten und auch um die neuesten Erkenntnisse der Inquisition.
    »Menschen verbrennen, nein, das wollen wir nur noch tun, wenn es wirklich unvermeidbar ist«, sprach der König gerade. »Auch wenn die Herren von der Inquisition das gerne anders gehandhabt sähen.«
    »Diesbezüglich sind die Portugiesen viel aktiver«, murrte ein Geistlicher. »Und sollten wir nicht zuwege bringen, was die können?«
    »Es ist stets für die gute Sache«, murmelte ein anderer, in bunte Farben gekleideter Würdenträger Der König nickte und hob die Brauen: Na, das versteht sich doch von selbst! »Nur für Gott und die Kirche – und doch auch im Sinne der Sünder selbst, das ist ja das Wunderbare«, bestätigte ein anderer, und es erhob sich, wie immer bei diesem sensiblen Thema, ein allgemeines Getuschel, das Felipe V. noch nie hatte leiden können: Zeichen setzen … den Anfängen wehren … Glaube in Gefahr … Conversos, die gerne im Geheimen operieren … Stärke zeigen … aus der Geschichte lernen …
    »Ein Monarch ist stets der Milde und Gnade verpflichtet«, gab Felipe V. zu bedenken. »(Oder nicht?)« Sein Sohn hatte sich ausnahmsweise zu voller Größe aufgerichtet, wog zweifelnd den Kopf und blickte in die Runde.
    »Dem letzten Verurteilten haben wir sogar eine zivile Hinrichtung gewährt«, sagte der Monseñor, das menschliche Antlitz der Inquisition betonend. »Unter Ausschluss der Öffentlichkeit – und überdies keine
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