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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen
Autoren: Reinhard Febel
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Schlagfertig, das war er.
    »Im wahren Leben allerdings«, fuhr sie unbeirrt fort, »könnte man sagen: Ihr seid schüchtern und macht das Beste daraus.«
    »Das ist wahr«, sagte er und an sich selbst gewandt: »Ich bin nicht so wie Papa und werde es nie sein. Kann es nicht.«
    »Jeder hat Schwächen. Seht mich an«, sagte sie, die Prinzessin, und als sie einander lächelnd in die Augen blickten, war Frieden mit dem Geschehenen gemacht, ein Teppich aus Gras und Blumen darüber gewachsen – auch über die Sehnsüchte und Wünsche –, dichter noch als der Urwald Neuspaniens.
    »Mit gewissen Organisationen arbeite ich nun einmal nicht gerne zusammen«, fügte er noch hinzu. »Doch das ist eine andere Sache.«
    Sie verstand. »Ich habe Euch angewiesen, nur für meinen Unterricht zu komponieren – sowie für denjenigen meines Gemahls, falls dieser es wünscht –, und darüber hinaus nichts, keine Kantaten, keine Musik für höfische Festlichkeiten oder Gottesdienste. Und dabei bleibt es.«

32
    Es wurde Sommer. Die Hitze kam, zunächst nur für Stunden oder Tage, um zu erkunden, ob es auch genügend zu verbrennen gab, doch sie würde bleiben, und dann endlich durfte die Sonne zeigen, was sie wirklich vermochte. Keine gute Nachricht für König Felipe.
    »Der große Gott steht am Himmel. Dort oben«, murmelte Escarlati, von einem ersten Glas Fino schon etwas betäubt, als er zu seinen Freunden marschierte und der wilden Indianer und des Königs in seinem finsteren Kubus gedachte.
    Die Häuser, im Schatten der Giralda klein und wie geschrumpft, kauerten zusammen gegen die Hitze, als habe sie ein Riesenbesen zu einem Haufen zusammengeschoben. Über den Plätzen warfen Palmenkronen dunkle, zerfetzte Schatten auf das Pflaster – das Gras, Schattenrisse wie Zahnräder, aus der Finsternis geschnitten.
    Domingos Freunde, Japón und Montoya, standen schon am Tresen und winkten ihm zu, als er das Halbdunkel der Kneipe betrat.
    Er musste blinzeln. Allmählich wich dann die Tageshelle aus seinen Augen und er konnte sich umsehen, sah Gruppen von Gläsern auf der Theke wie kleine Gärten aus kristallenen Bäumen, dazwischen Olivenkerne als Steinbrocken und Beete aus karminroten Schinkenscheiben mit weißen Fettadern.
    An der Wand hing ein ewiger Kalender, Papierscheibchen in einem Holzschieber mit drei Fächern: die Wochentage abgegriffen, zerbrochen und wieder zusammengesetzt, die Monate und Zahlen blass, aber unversehrt, das Jahr, das man nur einmal braucht, wie neu.
    Keine Zeit zum Grübeln jedoch: Schon hatte man ihm eingeschenkt. Er trank und prostete den beiden zu.
    Curro hatte seine Linke um den Hals einer Flasche gelegt, die neben ihm bereitstand, noch ein Fingerbreit Wein darin.
    »Bist du mir böse? Nehmt Ihr es mir noch krumm, Meister?«, fragte er rundheraus und legte dabei die Rechte auf Escarlatis Schulter.
    Seine zwei Kumpel, ich und die Flasche, dachte Domingo belustigt, schüttelte aber gleichzeitig den Kopf. »Wie könnte ich? Lass uns die Geschichte …«
    »… begießen!«, rief Montoya. »Frauen! Wir aber sind Freunde!« Mit einer bogenförmigen Bewegung füllte er den Rest seiner Flasche um Escarlatis Hals herum in dessen Glas, in dem nun zwei Weinsorten um die Vorherrschaft stritten und eine interessante Farbe ergaben. Montoya stutzte ob seines eigenen, leeren Glases und bat den Wirt mit einem Wink desselben um Nachschub.
    Er hatte viel getrunken, redete laut und schnell und war nicht zu bremsen. »Alles vergeht!«, erklärte er den Anwesenden und sagte dann zu Escarlati gewandt: »Und du schreib deine Stücke nicht auf! Mach es wie ich! Hier drin verstaust du sie« – er schlug sich an die Stirn – »und keiner kann sie dir dann wegnehmen.«
    »Das muss ich aber«, entgegnete Escarlati. »Ich schreibe sie nieder für Maria Barbara, meine Herrin und Schülerin, und sie übt, was ich komponiere.«
    »Sie übt mit dir, deine Herrin, was? Geht’s denn schon?« Er lachte, stieß Escarlati den Ellbogen in den Bauch und zog respektvoll die Lippen nach unten. »Eine echte Prinzessin. Alle Achtung!«
    Montoya blickte von oben in sein Glas wie in einen Brunnen, nahm es in beide Hände, ließ diese aber auf dem Tresen ruhen und nickte bewundernd mit dem Kopf.
    »Lass das«, sagte Escarlati. »Alles vergeht, das hast du gerade selbst gesagt, und es stimmt. Leider.«
    »Oh, das wusste ich nicht; wie traurig!«, sagte Montoya. »Dann sitzt du ja jetzt ganz auf dem Trockenen. Dagegen müssen wir etwas
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