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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen
Autoren: Reinhard Febel
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Verbrennung.«
    »Grund?« Der Monarch versuchte, scharf und knapp zu fragen, um Autorität zu demonstrieren, doch seine Stimme piepste.
    »Ketzerei. Öffentliche Predigt von Irrlehren.«
    »In seiner letzten Stunde hat er noch versucht, den Henker zu bekehren«, gab einer der Beamten preis. Man lachte.
    »Der hat bestimmt nicht gelitten«, rief einer. »Und vielleicht seine Seele gerettet.«
    »Darum geht es doch. So muss man das sehen, nicht wahr?«
    »Im Moment zumindest gibt es keinen weiteren Handlungsbedarf«, lenkte Seine Majestät ein und wandte sich zum Gehen, erleichtert, dass die nächste Delegation, jene der Stadträte, schon auf ihn wartete.
    »Natürlich werden wir auch in Zukunft, wie gehabt, Fall um Fall gründlich prüfen und erst dann entscheiden«, antwortete ein Sekretär für den König, welcher nickte.
    »Und ich werde mir jedes Urteil persönlich noch einmal ansehen«, sagte er kleinlaut. »(Oder nicht?)«

31
    Escarlati stand mit einer Tintenfeder in der Hand über den Cembalodeckel gebeugt, um die Aufgaben für Maria Barbara in das Stundenheft einzutragen.
    »So ermöglichen uns die Vögel mit ihrem Gefieder beides«, sagte er, »schreiben und musizieren, also Musik wie auch Dichtkunst – ist das nicht eigenartig? Ganz wie der Pelikan, der sich die Federn aus der eigenen Brust reißt, um seine Jungen im Nest zu wärmen – Ihr kennt die alte Sage? Die Reiter, welche die Saiten im Cembalo anzupfen, und die Federkiele, über die meine Tinte auf das Papier gleitet: Beide sind aus Vogelfedern gemacht! Und spricht dies nicht für eine leichte, schwebende, flatterhafte Musik wie die meine? Und für flüchtige Gedichte, Blätter, die der kleinste Luftstoß hinfortweht, als wäre es immerzu Herbst?«
    »Ja«, sagte die Prinzessin und legte ihre Hand kurz und leicht auf Escarlatis Linke, die wiederum das Heft flach gedrückt hielt. Dies war die erste Berührung seit ihrer unerhörten, einmaligen Vereinigung. Escarlatis linke Hand zuckte zusammen, während seine Rechte weiterschrieb, als wäre nichts – in der Tat, er, der große Cembalist, hatte seine Hände stets unabhängig voneinander unter Kontrolle –, und wollte sich dann Maria Barbaras Haut entgegendrängen, aber da war keine mehr, die Hand war weggezogen.
    »Ja – doch hat Eure Musik nun mehr Erdenschwere als früher«, fuhr sie fort und deutete auf die Noten, die noch über der Tastatur standen. »Diese Blätter fliegen nicht mehr haltlos davon, sondern werden von Euch gesteuert, Ihr habt sie mit Gewichten beschwert …«
    »Die da wären?«
    »Die da wären Klage, fahrendes Volk, also Rastlosigkeit, Verlust, Verzicht, Sehnsucht …« Ihre Anspielungen waren unbeholfen. Wie anstrengend, in Rätseln sprechen zu müssen! »Ich verstehe«, sagte der Meister, klappte das Heft zu und klaubte die Noten vom Pult. »Übermorgen die nächste Stunde. Ihr macht große Fortschritte, solltet vielleicht einmal selbst eine Komposition versuchen.«
    »Das überlasse ich Euch«, lachte sie und schüttelte den Kopf. »Ich bin dazu da, zu lernen und Euch das Arbeiten zu ermöglichen.«
    »Meine Prinzessin, meine Muse«, sagte er und tastete sich so ein letztes Mal an das Geschehene heran, doch nicht mit offenen Worten, nein, das ging nicht mehr. Und plötzlich überkam ihn Wut, ja Hass auf die ganze höfische Welt mit ihren Regeln, Verboten und Abhängigkeiten, die das ganz normale Menschsein zu verhindern suchten. Am schlimmsten war ohnehin die Kirche, dieses Reich alter, einsamer Männer, verkrampft, schwülstig und verlogen, wo man mit Fistelstimmen Halleluja singt. – Was für ein verlogenes Komponieren das doch gewesen war. – Wie konntest du das tun. – Dies nie mehr! Nie mehr, Domingo, hast du gehört? Und er dachte an ein ideales, gänzlich anderes Reich, dessen Tore sich nur selten öffneten und wo alle Menschen gleich waren, in dem es weder Beichtstühle noch Betschwestern gab. Von den Indianern Neuspaniens erzählte man sich so etwas.
    »Ich glaube, ich wäre gern ein Indianer in Mexiko«, sagte er und küsste der Prinzessin die Hand. Sie musste lachen.
    »Ihr seid ein Spaßvogel, ein guter Freund und ein großer Künstler«, sagte sie. »Doch ist es schwer, die rechte Einheit zu finden, um Euch zu messen. Der Zollstock, mit dem man des Bischofs Brokat vom Ballen rollt, wäre es sicher nicht.«
    »Wohl nicht«, gab Escarlati zu.
    »Eure Arbeit: Sie geht ins Kleine und sucht im Kleinen dann das Große.«
    »Besser doch als umgekehrt.«
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