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Kirchwies

Kirchwies

Titel: Kirchwies
Autoren: Hannsdieter Loy
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jenen ähnelten, mit denen sich ihr Vater abgegeben hatte. So wie Thea Brommel. Er musste zugeben: In seinem Hinterkopf hatte die Fanny stets irgendwo herumgefuhrwerkt.
    Bei all seinen Überlegungen war er davon ausgegangen, dass der Täter über handwerkliches Geschick verfügen musste – Fanny besaß es im Übermaß.
    Bei den Befragungen nach Fannys Alibi hatten sie sich auf die Aussage des Paters verlassen. Weder für die Nacht, in der Thea ermordet wurde, noch für die Zeit von Odilos Entführung noch für die Nacht der Attacke auf Fritzi war sie selbst befragt worden. Pater Timo hatte aus reiner Naivität eine Art Bürgschaft für sie abgegeben, die er nicht halten konnte. In falscher Vertrauensseligkeit hatte Campari ihm alles abgenommen.
    Das war sein Kapitalfehler gewesen.
    Die Durchsuchung von Fannys Wohnung würde endgültige Klarheit bringen. Er rechnete fest damit, dass sie den Computer und das Papier finden würden, auf dem die bei Odilo hinterlassene Nachricht geschrieben worden war.
    Der DNA -Test würde den Rest besorgen.
    Und unter ernsthafter Befragung würde diese Frau zusammenbrechen und gestehen. Campari war sicher, dass sie auf weiteres Beweismaterial stoßen würden. Sie vermissten noch immer Theas Jeans und Schuhe. Und sie hatten noch nicht herausgefunden, womit Odilo betäubt worden war.
    Er spürte den Impuls, hinzugehen, ihr eine Pistole an die Schläfe zu halten und sie zu einem Geständnis zu zwingen. Das tat er nicht. Doch er fasste einen Entschluss. Er fischte das Handy aus der Jackentasche und suchte die Nummer von Pater Timo.
    »Wissen Sie, wo Ihre Schwester ist? … Was? Wann haben Sie sie denn zuletzt gesehen?«
    Er holte ein Pferd aus dem Stall und machte sich auf den Weg zum Pfarrhaus. Er wollte sichergehen. Es durfte nichts eintreten, was die Festnahme der Täterin verhinderte.
    Als er die Brücke über den Feldbach querte, fing es wieder leicht zu regnen an. Er hob sein Gesicht den Tropfen entgegen und fiel in leichten Trab.
    * * *
    Nicht mit mir, sagte sich der Todesengel.
    Fanny hatte sich amüsiert, als sie von der Ankündigung der Exhumierung las und hörte. Sie würde auf keinen Fall hingehen. Der ganze Schmarren, den sie vorgaben – vielversprechende Spur, unmittelbar vor Abschluss, Experte für Täterprofile, »Zeugin der eigenen Ermordung« –, berührte sie kaum. Sie schlief auch weiterhin gut, und sie würde nicht am Friedhof auftauchen.
    Das war’s, was sie erwarteten. »Der Täter kehrt zurück zu seiner Tat.« Ein Klischee. Bestimmt würden sie die gesamte Ausgrabung filmen und das Material hinterher untersuchen. Fanny könnte die Polizei anrufen und behaupten, sie könnten sich ihr ganzes Schmierentheater an den Hut stecken. Eine Weile überlegte sie ernsthaft, ob sie sich den kleinen Scherz erlauben sollte, entschied sich aber dagegen. Unnötiges Risiko wollte sie nicht eingehen.
    Aus purer Neugierde hätte sie gern gewusst, wer aus dem Dorf sich das Schauspiel anschaute. Wie sie sich verhielten, wenn der Sarg aus dem Grab geschaufelt würde. Jene Reaktionen beobachten, welche die Polizei sich von ihm, dem Todesengel, erhoffte.
    Gut. Sie könnte jetzt dem Ruf folgen. Jetzt, da alles vorbei war. Zufällig über den Friedhof spazieren und die Sache inspizieren. Nachschauen, was vom Grab geblieben war. Den schlauen Polizisten zeigen, was Sache ist, vor allem dem superschlauen Campari. Dass sie ihnen allen überlegen war.
    Sie war schon mehrfach an Theas Grab gewesen. Hatte den Film immer und immer wieder an sich vorüberziehen lassen. Und hatte die Tat nie bereut. Die Hure hatte diese Strafe verdient.
    Der Auslöser war ein Ereignis an einem sonnigen Sonntag im vergangenen Februar oder März gewesen. Aus reiner Neugierde hatte Fanny in der Garage, in der die Honda Shadow ihres Bruders stand, einen Karton durchsucht, auf den sie zufällig gestoßen war. Ganz unten fiel ihr ein altes, abgegriffenes Buch in die Hände. Sie brauchte eine Weile, bis sie begriffen hatte, dass es sich um ihr eigenes Tagebuch handelte. »Ich war ein Mädchen damals«, hatte sie geflüstert.
    Sie setzte sich auf einen Stapel alter Reifen und blätterte in dem kleinen roten Buch. Sie erkannte ihre geradlinige, steil nach links gerichtete Schrift wieder und konnte keinen einzigen Rechtschreibfehler entdecken.
    Zwischen zwei Seiten tauchte ein Foto auf. »Mama«, stieß Fanny mit Tränen in den Augen aus.
    Als sie das Bild sah, war sie sentimental berührt, erschrak aber gleichzeitig
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