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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
Autoren: Sue Grafton
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kein Geld zurück. Wenn man sechshundert Dollar zahlt und nichts als einen Haufen alter Zeitschriften findet, hat man eben Pech gehabt. So ist das Leben et cetera.«
    »Können Sie davon leben?«
    Er nahm eine andere Sitzhaltung ein. »Nicht direkt. Es ist lediglich ein Hobby zwischen den Dachdeckeraufträgen. Das Schöne daran ist, dass es nichts Schriftliches gibt, daher kann mich meine Ex auch nicht um Unterhalt anhauen. Sie war schließlich diejenige, die sich aus dem Staub gemacht hat, also kann sie mich mal, sage ich.«
    Die Kellnerin erschien mit der Kaffeekanne in der Hand an unserem Tisch, schenkte ihm nach und stellte mir eine frische Tasse hin. Teddy und die Kellnerin schäkerten miteinander. Ich nutzte den Augenblick, um Milch in meinen Kaffee zu gießen, und riss die Ecke eines Zuckerpäckchens ab, obwohl ich normalerweise keinen nehme. Alles, um die Zeit zu füllen, bis sie mit ihrer Plauderei fertig waren. Ehrlich gesagt hatte ich den Eindruck, dass er scharf auf sie war.
    Nachdem sie gegangen war, wandte Teddy seine Aufmerksamkeit wieder mir zu. Der Pappkarton stand auf dem Sitz neben ihm. Er bemerkte meinen Blick. »Ich sehe Ihnen doch an, dass Sie neugierig sind. Wollen Sie mal reinlinsen?«
    »Klar«, sagte ich.
    Ich beugte mich zu dem Karton hinüber, aber Teddy streckte die Hand aus und verlangte: »Geben Sie mir zuerst fünf Dollar.« Dann lachte er. »Sie hätten Ihr Gesicht sehen sollen. Nur zu. War bloß ein Witz. Machen Sie ruhig.« Er wuchtete die Schachtel auf den Tisch und schob sie zu mir herüber. Sie war sperrig, aber nicht schwer, und obendrauf lag eine Staubschicht. Der Deckel war zugeklebt gewesen, aber ich erkannte, wo das Paketband zerschnitten und die Laschen zurückgeklappt worden waren. Ich stellte den Karton neben mich auf den Sitz und öffnete ihn. Der Inhalt schien hastig zusammengewürfelt worden zu sein, ohne dass irgendeine Ordnung beachtet worden wäre. Im Grunde wirkte er wie die letzte Kiste, die man bei einem Umzug packt; Sachen, die man nicht wegzuwerfen wagt, aber mit denen man eigentlich nichts anzufangen weiß. Ein solcher Karton konnte vermutlich zehn Jahre lang unbemerkt bei einem im Keller stehen, und nichts würde einen je veranlassen, auch nur nach einem der darin liegenden Gegenstände zu suchen. Verspürte man aber andererseits das Bedürfnis, den Inhalt durchzusehen, würde man feststellen, dass man immer noch zu sehr an den Sachen hing, um das ganze Sammelsurium in den Müll zu werfen. Wenn man das nächste Mal umzog, würde man die Kiste zu den anderen Kisten im Möbelwagen stellen und nach und nach genug Gerümpel ansammeln, um einen... na ja, kleinen Lagerraum zu füllen.
    Ich erkannte auf den ersten Blick, dass ich die Sachen haben wollte. Neben den Andenken aus der Grundschulzeit entdeckte ich das Abschlusszeugnis der High School, das er erwähnt hatte, mein Jahrbuch, mehrere Schulbücher, und — weitaus wichtiger — zahlreiche Ordner mit kopierten Blättern aus meinen Kursen an der Polizeischule. Dreißig Dollar waren gar nichts für diesen Schatz an Erinnerungen.
    Teddy musterte mein Gesicht und versuchte, die Dollarzeichen in meiner Reaktion abzuschätzen. Ich ertappte mich dabei, wie ich dem Blickkontakt auswich, um das Ausmaß meines Interesses zu verbergen. Um Zeit zu gewinnen, fragte ich: »Wer hatte das Schließfach eigentlich gemietet? Das haben Sie, glaube ich, noch nicht erwähnt.«
    »Ein Mann namens John Russell. Ist das ein Freund von Ihnen?«
    »Als Freund würde ich ihn nicht bezeichnen, aber ich kenne ihn«, sagte ich. »Eigentlich ist der Name ein Insiderwitz — eine Art Pseudonym. >John Russel< ist eine Figur aus einem Roman von Elmore Leonard, Man nannte ihn Hombre .«
    »Tja, ich habe versucht, ihn ausfindig zu machen, hatte aber nicht viel Glück. Viel zu viele Russells hier in der Gegend. Zwei Dutzend Johns, zehn oder fünfzehn Jacks, aber keiner von ihnen war der Richtige, danach habe ich mich nämlich erkundigt.«
    »Da haben Sie ja einiges an Zeit investiert.«
    »Das können Sie mir glauben. Zwei Stunden habe ich rumtelefoniert, bevor ich es aufgegeben und mir gesagt habe: Du spinnst. Ich habe die ganze Gegend abgeklappert: Perdido, L.A. County, San Bernardino, Santa Teresa County, bis rauf nach San Luis. Der Typ ist nirgends aufzutreiben, also schätze ich, dass er entweder gestorben oder in einen anderen Bundesstaat gezogen ist.«
    Ich trank einen Schluck Kaffee und verkniff mir jeden Kommentar. Mit Milch und Zucker
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