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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
Autoren: Sue Grafton
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unbesehen sausen lassen.
    Also sagte ich: »Die Schriftstücke können nicht viel wert sein, da ich nicht einmal gemerkt habe, dass sie weg sind.« Ich mochte ihn jetzt schon nicht, dabei hatte ich ihn noch nicht einmal kennen gelernt.
    »Hey, ich bin nicht zum Streiten aufgelegt. Ich habe nicht vor, Sie auszunehmen oder irgendwas in der Richtung. Wenn Sie über den Wert diskutieren wollen, machen wir das eben. Ist Ihre Entscheidung«, meinte er.
    »Am besten denke ich darüber nach und rufe Sie wieder an.«
    »Tja, das ist es ja gerade. Wenn wir uns mal treffen würden, könnten Sie einen Blick auf die Sachen werfen und sich entscheiden. Woher wollen Sie sonst wissen, ob Ihnen das Zeug irgendetwas wert ist? Sie müssten zwar hier runterfahren, aber ich nehme mal an, dass Sie motorisiert sind.«
    »Das ließe sich schon machen.«
    »Wunderbar«, sagte er. »Also, wie sehen Ihre Pläne für heute aus?«
    »Heute?«
    »Es geht nichts über schnelle Entschlüsse, finde ich.«
    »Wozu die Eile?«
    »Keine Eile, außer dass ich den Rest der Woche Termine habe. Ich verdiene mein Geld, indem ich Sachen umsetze, und meine Garage quillt schon über. Also, haben Sie heute Zeit oder nicht?«
    »Ich könnte es vermutlich schaffen.«
    »Gut, dann treffen wir uns so bald wie möglich und sehen, ob wir uns einig werden. Bei mir in der Nähe ist ein Coffeeshop. Ich gehe jetzt rüber und bleibe etwa eine Stunde. Sagen wir, zwischen halb und Viertel vor zehn. Und wenn Sie nicht auftauchen? Ich muss sowieso an der Müllkippe vorbeifahren, also juckt mich das nicht.«
    »Was hatten Sie sich denn vorgestellt?«
    »Geldmäßig? Sagen wir dreißig Dollar. Wie hört sich das an?«
    »Sagenhaft«, antwortete ich und ließ mir von ihm den Weg beschreiben. So ein Widerling.

    Ich duschte und schlüpfte in meine gewohnte Kluft aus Blue Jeans und T-Shirt, dann tankte ich meinen VW auf und fuhr in südlicher Richtung auf die 101. Die Fahrt nach Olvidado dauerte fünfundzwanzig Minuten. Ich nahm die Ausfahrt Olvidado Avenue und bog an deren Ende nach rechts ab. Einen halben Block vorn Freeway entfernt stand ein großes Einkaufszentrum. Das Gelände ringsum, das ursprünglich der Landwirtschaft gewidmet war, wurde nach und nach in ein Feld voller neuer und gebrauchter Autos umgewandelt. Bänder mit flatternden Plastikfahnen zeichneten Zeitformen über den Asphalt, wo aufgereihte Fahrzeuge in der milden Maiensonne glitzerten. Ich sah einen haiförmigen Mini-Zeppelin, der am Boden angebunden war und zehn Meter hoch in der Luft schwebte. Seine Bedeutung entzog sich mir, aber was weiß ich schon über solche Sachen?
    Die Geschäfte gegenüber dem Einkaufszentrum verteilten sich offenbar gleichmäßig auf Imbisslokale, Spirituosenläden und Copy-Shops, die Passbilder anboten. Es gab sogar ein Etablissement, das sofortigen juristischen Beistand versprach. Die machten kurzen Prozess: Bankrott $99. Scheidung $99... Scheidung mit Kindern $99 + Registrierungsgebühr... se habla español. Der Coffeeshop, von dem er gesprochen hatte, schien der einzige Familienbetrieb in der Gegend zu sein.
    Ich stellte mein Auto auf den Parkplatz und drängte mich in das Lokal, wobei ich die Gäste musterte und nach jemandem suchte, der auf seine Beschreibung passte. Er hatte erwähnt, dass er fast einsneunzig sei und attraktiv wie ein Filmstar, aber dann hatte er vor Lachen geschnaubt, was mich veranlasste, etwas anderes anzunehmen. Er sagte, er werde die Tür im Auge behalten, bis ich käme. Ich entdeckte einen Mann, der grüßend die Hand hob und mich zu seiner Nische winkte. Sein Gesicht war ein breites, gerötetes Viereck, und der Sonnenbrand zog sich in das V seines offen stehenden Arbeitshemds aus Jeansstoff hinein. Das dunkle Haar trug er glatt zurückgekämmt. Ich erkannte die Einkerbungen an seinen Schläfen, wo zuvor die Baseballkappe gesessen hatte, die nun auf dem Tisch neben ihm lag. Er hatte eine breite Nase, herabhängende Augenlider und Tränensäcke unter den Augen. Ich konnte vereinzelte Barthaare ausmachen, die er bei seiner Morgenrasur übersehen hatte. Seine Schultern waren bullig, und die Unterarme mit den aufgekrempelten Hemdsärmeln wirkten massig. Er hatte eine dunkelbraune Windjacke abgelegt, die jetzt ordentlich gefaltet über der Lehne der Sitzbank hing.
    »Mr. Rich? Kinsey Millhone. Wie geht’s?« Wir schüttelten uns über dem Tisch die Hände, und ich merkte, dass er mich mit der gleichen Liebe zum Detail musterte, die ich soeben ihm gewidmet
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