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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
Autoren: Sue Grafton
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hatte.
    »Nennen Sie mich Teddy. Nicht schlecht. Schön, dass Sie gekommen sind.« Er sah auf die Uhr, während ich mich ihm gegenüber auf die Bank gleiten ließ. »Dummerweise habe ich nur noch fünfzehn, zwanzig Minuten Zeit, bevor ich wegmuss. Tut mir Leid wegen der Hektik, aber ich habe gleich nach unserem Gespräch einen Anruf von einem Knaben in Thousand Oaks bekommen, der einen Kostenvoranschlag für sein Dach braucht.«
    »Sie sind Dachdecker?«
    »Von Beruf, ja.« Er griff in die Hosentasche. »Hier ist meine Karte, für den Fall, dass Sie mal was gerichtet haben wollen.« Er zog ein schmales Kunstlederetui hervor und nahm einen Stapel Visitenkarten heraus. »Meine Spezialität sind neue Dächer und Reparaturen.«
    »Und was noch?«
    »Hey, ich kann alles machen, was Sie brauchen. Heißschwabbeln, Abreißen, Absengen, alle Arten von Ausbesserungen, Struktur, Schiefer, Tonziegel, was Sie wollen. Renovieren und Prophylaxe sind mein Spezialgebiet. Ich könnte Ihnen ein Sonderangebot machen — sagen wir zehn Prozent Rabatt, wenn Sie noch diesen Monat anrufen. In was für einem Haus wohnen Sie denn?«
    »Zur Miete.«
    »Dann haben Sie ja vielleicht einen Vermieter, der etwas am Dach gerichtet haben will. Behalten Sie die Karte ruhig. Nehmen Sie so viele, wie Sie wollen.« Er hielt mir eine Hand voll Visitenkarten hin, aufgefächert und mit der Schrift nach unten, als wolle er einen Zaubertrick vorführen.
    Ich nahm mir eine und betrachtete sie. Die Karte trug seinen Namen, die Telefonnummer und eine Postfachadresse. Seine Firma hieß OVERHEAD ROOFING, und die Buchstaben bildeten ein breites, umgekehrtes V, wie die Firstlinie eines Daches. Sein Firmenmotto war: »Wir decken jede Art von Dach.«
    »Einprägsam«, bemerkte ich.
    Er hatte mit ernster Miene auf meine Reaktion gewartet. »Die hab ich mir gerade erst drucken lassen. Auf den Namen bin ich selbst gekommen. Früher hieß es >Ted’s Roofs<. Sie wissen schon, einfach, schlicht und mit persönlicher Note. Ich hätte mich ja auch >Rich Roofs< nennen können, aber das hätte womöglich einen falschen Eindruck erweckt. Ich war zehn Jahre im Geschäft, aber dann kam die Trockenheit, und der Markt ist versiegt...«
    »Sozusagen«, warf ich ein.
    Er lächelte und zeigte eine kleine Lücke zwischen den unteren Schneidezähnen. »Hey, das ist gut. Ihr Humor gefällt mir. Was jetzt kommt, amüsiert Sie sicher auch: Ein paar Jahre keinen Regen, und schon halten die Leute ihr Dach für >Granit<. Verstehen Sie? Granit — wie >garantiert    »Wirklich witzig«, sagte ich.
    »Jedenfalls ging’s mir miserabel. Ich musste komplett dichtmachen und Konkurs beantragen. Meine Frau hat mich postwendend verlassen, der Hund ist gestorben, und dann wurde auch noch mein Lieferwagen geschrammt. Ich war restlos ruiniert. Jetzt, wo schlechtes Wetter ins Haus steht, dachte ich, ich fange noch mal frisch an. >Overhead Roofing< ist auch eine Art Wortspiel.«
    »Tatsächlich«, sagte ich. »Und was ist mit dem Altwarenhandel aus Lagerbeständen? Wie sind Sie darauf gekommen?«
    »Ich musste ja irgendwas tun, als die Dachdeckerei abgestürzt ist. Offen gestanden«, fügte er mit einem Zwinkern hinzu, »wollte ich versuchen zu retten, was zu retten war. Ich hatte etwas Geld beiseite gelegt, von dem meine Frau und die Gläubiger nichts wussten, und das habe ich benutzt, um neu anzufangen. Man braucht fünf- oder sechstausend, wenn man es vernünftig anpacken will. Ein- oder zweimal wurde ich aufs Kreuz gelegt, aber ansonsten habe ich mich ganz gut geschlagen, wenn ich das selbst behaupten darf.« Er machte die Kellnerin auf sich aufmerksam und hielt mit einem Seitenblick auf mich seine Kaffeetasse in die Höhe. »Darf ich Sie zu einer Tasse Kaffee einladen?«
    »Klingt gut. Und wie lange machen Sie das schon?«
    »Ungefähr ein Jahr«, antwortete er. »Man nennt uns Sammler oder Schließfachzocker, manchmal auch Wiederverkäufer oder Schatzsucher. Es funktioniert so, dass ich in den Zeitungen nach Versteigerungen Ausschau halte. Außerdem habe ich ein paar Mitteilungsblätter abonniert. Man weiß ja nie, was man findet. Vor zwei Wochen habe ich zweihundertfünfzig bezahlt und ein Bild entdeckt, das über fünfzehnhundert Mäuse wert war. Ich war total begeistert.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Natürlich gibt es bei der Geschichte Regeln, wie überall sonst auch. Man kann den Inhalt des Fachs nicht besichtigen, darf nicht vor Beginn der Versteigerung hineingehen, und es gibt
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