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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
Autoren: Sue Grafton
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ausstellen.«
    »Was ist mit dem Band?«
    »Das beweist rein gar nichts. Zum einen ist es illegal, und zum anderen weißt du nicht einmal, ob es Lorna ist. Sie könnten über alles mögliche reden. Hast du schon einmal den Begriff >verbotene Früchte< gehört? Ich habe über diese Geschichte nachgedacht, seit ich dich zu Hause abgesetzt habe. Da haben Leute am Tatort herumgepfuscht und Beweismittel verfälscht. Jeder gute Verteidiger würde deine Theorie komplett auseinandernehmen.«
    »Was ist mit Rogers Behauptung, daß Lorna ihn am Freitag morgen angerufen hätte?«
    »Da hat er sich eben geirrt. Sie hat an einem anderen Tag angerufen.«
    »Und wenn ich mit einer Wanze zu ihm ginge und mit ihm spräche? Ich frage ihn —«
    Cheney fiel mir ins Wort, und sein Tonfall war eine Mischung aus Ungeduld und Zorn. »Was willst du ihn fragen? Wir werden dich jedenfalls nicht mit einer Wanze ausstaffieren. Wie stellst du dir das denn vor? Du klopfst an seine Tür und sagst: >Hi, Rog. Ich bin’s, Kinsey. Wen haben Sie denn heute umgelegt? Oh, nichts weiter, bin bloß neugierig. Entschuldigen Sie, aber würden Sie bitte in diese künstliche Blume in meinem Knopfloch sprechen?< Das ist nicht dein Job. Sieh’s ein. Du kannst nichts tun.«
    »Schwachsinn. Das ist Schwachsinn.«
    »Okay, aber es ist Schwachsinn, mit dem du leben mußt. Wir sollten das eigentlich überhaupt nicht debattieren.«
    »Cheney, ich habe es satt, daß die Bösen gewinnen. Ich habe die Schnauze voll davon, daß Leute mit Mord davonkommen. Wie kommt es, daß das Gesetz sie schützt und nicht uns?«
    »Ich verstehe dich, Kinsey, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Sogar wenn du in bezug auf Roger recht hast, hast du keine Möglichkeit, ihn zur Strecke zu bringen, also kannst du es genausogut aufgeben. Irgendwann baut er Mist, und dann kriegen wir ihn.«
    »Das werden wir ja sehen.«
    »Komm mir nicht mit >das werden wir ja sehen«. Wenn du etwas Dummes anstellst, bist du dran, nicht er. Wir sprechen uns später wieder. Ich habe einen anderen Anruf in der Leitung.«
    Ich knallte den Hörer auf und kochte vor Wut. Ich wußte, daß er recht hatte, aber so etwas ist mir wirklich zuwider, und daß er recht hatte, machte es nur noch schlimmer. Ich saß eine Minute lang unbewegt da und starrte das Foto von Lorna und Danielle an. War ich die einzige, der wirklich an ihnen lag? Ich hielt das fehlende Teil des Puzzles in Händen, aber mir fehlten Mittel und Wege, um das Unrecht aus der Welt zu schaffen. Meine Erfolglosigkeit hatte etwas Demütigendes an sich. Ich ging quer durch den Raum und wieder zurück und fühlte mich völlig machtlos. Das Telefon klingelte erneut, und ich packte den Hörer.
    »Hier ist Cheney...« Seine Stimme klang merkwürdig ausdruckslos.
    »He, wunderbar. Ich hatte gehofft, daß du zurückrufst. Ganz unter uns muß es doch eine Möglichkeit geben, die Sache zu erledigen«, sagte ich. Ich dachte, er riefe an, um sich dafür zu entschuldigen, daß er so starrköpfig gewesen war. Nun wartete ich darauf, daß er einen Vorschlag machte, wie wir Vorgehen könnten, und war daher auf das, was dann kam, vollkommen unvorbereitet.
    »Der Anruf war vom St. Terry’s. Die Schwester von der Intensivstation. Wir haben Danielle verloren. Sie ist gerade gestorben«, sagte er.
    Ich begriff überhaupt nichts und wartete auf die Pointe. »Sie ist gestorben?«
    »Sie hatte einen Herzstillstand. Ich nehme an, man hat Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet, aber es war zu spät, um sie zurückzuholen.«
    »Danielle ist gestorben? Das ist absurd. Ich habe sie gestern abend noch gesehen.«
    »Kinsey, es tut mir leid. Der Anruf kam gerade eben. Ich bin genauso verblüfft wie du. Es ist mir alles andere als angenehm, daß ich dir das mitteilen muß, aber ich fand, du solltest es wissen.«
    »Cheney.« Meine Stimme klang schroff, während sein Tonfall inzwischen mitfühlend geworden war.
    »Möchtest du, daß ich vorbeikomme?«
    »Nein, ich möchte nicht, daß du vorbeikommst. Ich möchte, daß du aufhörst, mir den Kopf mit Müll vollzuschütten«, fauchte ich. »Warum tust du das?«
    »Ich bin in einer Viertelstunde da.«
    Die Verbindung brach ab, und er war weg.
    Behutsam legte ich den Hörer auf die Gabel. Noch im Stehen legte ich mir eine Hand vor den Mund. Was war hier los? Was spielte sich da ab? Wie konnte Danielle tot sein, wenn Roger nicht zu greifen war? Zuerst spürte ich überhaupt nichts. Meine anfängliche Reaktion war seltsam hohl, ohne jegliche
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