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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
Autoren: Sue Grafton
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ließ meine Tasche im Wagen und schloß ihn ab. Von der Limousine war noch immer nichts zu sehen. Aber andererseits würde der Mann wohl auch nicht mit seinem Riesenschlitten anreisen, wenn er jemanden umbringen wollte, dachte ich. Vermutlich würde er seine Gorillas schicken, und die würden vielleicht erst in Rogers Wohnung nachsehen, wo immer das sein mochte. In der Einfahrt parkte ein Wagen, der dem County gehörte. Im Vorübergehen streckte ich die Hand aus. Die Motorhaube war noch warm. Ich ging die Stufen zu der beleuchteten Eingangshalle empor. Im Kreuz spürte ich die beruhigende Wölbung der Pistole. Dann stieß ich die Glastür auf.
    Der Platz der Empfangsdame war nicht besetzt. Einst hatte Lorna Kepler hier gesessen. Es war merkwürdig, sich voxzustellen, wie sie Tag für Tag hier arbeitete, Besucher begrüßte, Anrufe entgegennahm und mit dem Steuerungstechniker und altgedienten Aufbereitungsexperten Konversation betrieb. Vielleicht war das der letzte Fetzen Illusion, der letzte Versuch, den sie unternahm, ein gewöhnlicher Mensch zu sein. Andererseits könnte sie aber auch ernsthaftes Interesse an Belüftungsbecken und Schnellfiltern entwickelt haben.
    Im Gebäudeinneren schien zunächst völlige Ruhe zu herrschen. Leuchtstoffröhren strahlten auf die glänzenden Bodenfliesen herab. Der Flur war menschenleer. Aus einem der weiter entfernt liegenden Büros nahm ich die Klänge eines Countrysenders wahr. Ich hörte, wie jemand gegen ein Rohr schlug, doch das Geräusch kam aus den Eingeweiden des Gebäudes. Rasch schritt ich den Flur hinunter und spähte in Rogers Büro. Das Licht brannte, aber er war nirgends zu sehen. Ich hörte, wie sich Schritte näherten. Ein Mann in Overall und Baseballmütze kam um die Ecke auf mich zu. Meine Anwesenheit schien ihn nicht zu verwundern, aber trotzdem nahm er höflich die Mütze ab, als er mich erblickte. Sein Haar war eine lockige, graue Masse, in die die Mütze um seinen Kopf herum eine Linie gezeichnet hatte. »Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?«
    »Ich suche Roger.«
    Er zeigte nach unten. »Das, was Sie da gegen die Prüfleitung hämmern hören, ist er.« Er war etwa Mitte Fünfzig, hatte ein breites Gesicht und ein Grübchen im Kinn. Sympathisches Lächeln. Er streckte die Hand aus und stellte sich vor. »Ich bin Delbert Squalls.«
    »Kinsey Millhone«, sagte ich. »Könnten Sie Roger sagen, daß ich da bin? Es ist dringend.«
    »Klar, kein Problem. Ich bin sowieso gerade auf dem Weg nach unten. Kommen Sie doch einfach mit.«
    »Danke.«
    Squalls ging denselben Weg wieder zurück und öffnete die Tür mit den Glasfenstern, die in den Gebäudeteil führte, den ich schon einmal gesehen hatte: bunte Rohre und eine Wand voller Pegel und Meßgeräte. Ich konnte das klaffende Loch im Boden sehen. Orangefarbene Plastikkegel standen am einen Ende, um Unvorsichtige davor zu warnen, hineinzufallen.
    Ich fragte: »Wie viele Leute arbeiten heute abend hier?«
    »Schauen wir mal. Mit mir fünf. Kommen Sie hier entlang. Ich hoffe, Sie leiden nicht unter Klaustrophobie.«
    »Überhaupt nicht«, log ich und folgte ihm, als er zu der Öffnung hinüberging. Bei meinem ersten Besuch hatte ich einen fließenden Strom schwarzes Wasser dort unten erblickt, still und nach Chemikalien riechend, der anders aussah als alles, was ich je gesehen hatte. Nun sah ich Lichter und kahle Betonwände, die an den Stellen, wo das Wasser entlanggeflossen war, die Farbe verloren hatten. Ich mußte schlucken. »Wo ist denn das ganze Wasser hingekommen?« fragte ich.
    »Wir schließen die Schleusentore, und dann fließt es in zwei große Becken«, sagte er im Plauderton. »Dauert ungefähr vier Stunden. Das machen wir einmal im Jahr. Gerade werden einige Nachbelüftungsprüfleitungen repariert. Sie waren fast völlig durchgerostet. Vor dieser Schließung waren sie schon monatelang verstopft. Wir haben zehn Stunden Zeit, um das in Ordnung zu bringen, dann kommt es wieder zurückgeflossen.«
    Mehrere an der Wand befestigte Metallsprossen bildeten eine Leiter, die zum Kanal hinunterführte. Das Hämmern hatte aufgehört. Delbert wandte sich um, schob vorsichtig seinen Fuß in die Öffnung und begann schließlich den Abstieg. Tack, tack, tack machten seine Schuhsohlen auf dem Metall, während er langsam aus meinem Blickfeld verschwand. Ich schritt auf das Loch zu und drehte mich um. Dann stieg ich wie er in den darunter liegenden Tunnel hinab.
    Am Grund angekommen, befanden wir uns gut dreieinhalb
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