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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser
Autoren: Sue Grafton
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ist?«
    »Vage«, antwortete ich. Nach dem, was ich im Kopf hatte, war Jaffes Segelboot verlassen vor der Küste treibend aufgefunden worden. »Rekapituliere doch mal kurz. Das ist der Mann, der auf See verschwunden ist, nicht wahr?«
    »So sah es aus, ja.« Mac wackelte nachdenklich mit dem Kopf, während er sich sammelte, um mir eine kurze Zusammenfassung zu geben. »Wendell Jaffe und sein Partner, Carl Eckert, gründeten mehrere Gesellschaften mit beschränkter Haftung, um Immobiliengeschäfte zu machen. Es ging dabei um die Erschließung von Grundstücken und den Bau von Eigentumswohnungen, Geschäftsgebäuden, Einkaufszentren und dergleichen. Sie versprachen ihren Anlegern eine Rendite von fünfzehn Prozent und dazu die Rückzahlung ihrer Einlage innerhalb von vier Jahren. Sie selbst wollten vorerst auf Gewinne verzichten. Dafür kassierten sie aber immense Honorare, wiesen ungeheuer hohe Geschäftsunkosten aus, kurz, sie sahnten richtig ab. Als die Gewinne ausblieben, bezahlten sie die alten Anleger mit dem Geld der neuen Anleger, verschoben das Geld von einer Mantelfirma zur anderen und warben immer neue Anleger an, um das Spiel in Gang zu halten.«
    »Ein Schneeballgeschäft also«, sagte ich.
    »Richtig. Ich glaube, sie haben mit guten Absichten angefangen, aber so hat es schließlich geendet. Wie dem auch sei. Jaffe merkte, daß das nicht ewig so weitergehen konnte, und da ist er von seinem Boot aus ins Wasser gegangen. Seine Leiche wurde nie gefunden.«
    »Er hinterließ einen Abschiedsbrief, wenn ich mich recht erinnere«, warf ich ein.
    »Stimmt. Nach allem, was man hörte, litt der Mann an den klassischen Symptomen einer Depression: Niedergeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Angst, Schlaflosigkeit. Schließlich fährt er auf seinem Segelboot hinaus und springt über Bord. In dem Brief, den er seiner Frau hinterlassen hat, hieß es, er habe sich in Schulden gestürzt, um das Geschäft am Laufen zu halten, was, wie er jetzt einsähe, völlig hoffnungslos sei. Er ist total verschuldet. Er weiß, daß er alle enttäuscht hat, und kann den Konsequenzen nicht ins Gesicht sehen. Seine Frau und seine beiden Söhne brachte er damit in eine schreckliche Situation.«
    »Wie alt waren die Kinder?«
    »Ich glaube, Michael, der ältere, war siebzehn, und Brian muß zwölf gewesen sein. Es war wirklich eine üble Geschichte. Er machte seine Familie kaputt, trieb mehrere seiner Anleger in den Bankrott, und sein Geschäftspartner, Carl Eckert, landete im Kittchen. So wie’s aussah, ist Jaffe gerade noch rechtzeitig abgesprungen, ehe das ganze Kartenhaus einstürzte. Aber das Problem war, daß es keinen konkreten Beweis für seinen Tod gab. Seine Frau beantragte bei Gericht die Ernennung eines Nachlaßtreuhänders, obwohl er ja praktisch nichts hinterlassen hatte. Die Bankkonten waren abgeräumt, und das Haus war bis unters Dach verschuldet. Sie mußte es schließlich aufgeben. Die Frau tat mir damals wirklich leid. Sie hatte seit Jahren nicht mehr gearbeitet, seit dem Tag ihrer Heirat nicht mehr. Und nun sollte sie plötzlich sich und die Kinder ganz allein durchbringen, hatte nicht einen Cent auf der Bank und keinerlei Ausbildung. Sie war eine nette Frau, und es war schlimm für sie. Fünf Jahre lang blieb alles still. Nicht die leiseste Spur von dem Mann.«
    »Aber er ist gar nicht tot?« sagte ich und nahm damit die Pointe vorweg.
    »Darauf komme ich gleich«, versetzte Mac mit einem Anflug von Irritation. Ich verkniff mir also meine Fragen, um ihn in Ruhe und auf seine Art berichten zu lassen.
    »Das war tatsächlich eine Frage, die uns beschäftigte. Die Versicherungsgesellschaft war nicht scharf darauf, ohne offiziellen Totenschein zu zahlen. Schon gar nicht, nachdem Wendells Partner wegen Betrugs und Unterschlagung unter Anklage gestellt worden war. Es war schließlich gut möglich, daß Jaffe sich mit der Kohle aus dem Staub gemacht hatte, um einer Strafverfolgung zu entgehen. Wir haben zwar nie direkt so argumentiert, aber wir haben die Zahlung verschleppt. Dana Jaffe engagierte einen Privatdetektiv, der sich auf die Suche machte, aber niemals auch nur den Schatten eines Beweises zutage förderte, sei es pro oder contra«, fuhr Mac fort. »Es war nicht zu beweisen, daß er tot war, aber das Gegenteil auch nicht. Ein Jahr nach dem Unfall beantragte sie bei Gericht unter Berufung auf den Abschiedsbrief und den seelischen Zustand ihres Mannes, die Toterklärung. Sie legte eidesstattliche Versicherungen seines
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