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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
Autoren: Sue Grafton
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weiß blitzenden Zähnen. »Du hättest deinen Gesichtsausdruck sehen sollen. Fantastisch. Ich finde es lustig, dich dabei zu beobachten, wenn du überrumpelt wirst.« Er lehnte an der Tür, die Hände auf dem Rücken, und das Licht aus der Küche tauchte eine Seite seines Gesichts in einen warmen gelben Schimmer. Ich betrachtete ihn eindringlich: blaue Augen, dunkles Haar. Er sah müde aus. Jonah ist bei der Polizei von Santa Teresa und arbeitet in der Abteilung für vermisste Personen, wo wir uns auch vor fast einem Jahr kennen gelernt hatten. Ich wusste im Augenblick nicht so recht, was ich für ihn empfand. Er ist freundlich, ein bisschen konfus, ein guter Mann, der immer das Richtige tun möchte, egal was. Ich verstand das Dilemma mit seiner Frau und nahm ihm die Rolle nicht übel, die er darin spielte. Natürlich war er ein Blatt im Wind. Er hat zwei kleine Töchter, und das kompliziert die Sache unendlich. Camilla hatte ihn zweimal verlassen und beide Male die Mädchen mitgenommen. Er kam gut ohne seine Frau aus, aber sie hatte nur mit dem kleinen Finger winken müssen, und schon war er zu ihr zurückgelaufen. Von da an ging es ständig hin und her. Im November beschloss sie, eine »offene Ehe« zu führen, was er für eine Umschreibung dafür hielt, dass sie in der Gegend herumbumste. Erst da hatte er sich frei genug gefühlt, um mit mir eine Affäre anzufangen, doch ich war ziemlich sicher, dass er ihr von mir nie etwas erzählt hatte. Wie »offen« konnte diese offene Ehe sein? Obwohl ich von der Beziehung nicht viel erwartete, fand ich es beunruhigend, nie zu wissen, wo ich stand. Manchmal spielte er den Familienvater und ging mit seinen Töchtern am Sonntagnachmittag in den Zoo. Manchmal benahm er sich wie ein unehelicher Vater und machte haargenau das Gleiche. Er und die beiden Mädchen verbrachten viel Zeit vor dem Affenkäfig, während Camilla weiß Gott was tat. Ich selbst fühlte mich wie ein Statist in einem Theaterstück, das ich mir nie angesehen hätte, wenn ich dafür auch noch hätte bezahlen müssen. Um die Wahrheit zu sagen, ich mochte die Komplikationen nicht. Es stand mir jedoch nicht zu, mich zu beklagen, da ich von Anfang an gewusst hatte, dass er verheiratet war. Ach was, hatte ich damals gedacht, nur keine Aufregung. Ich bin schon groß. Ich werde damit fertig. Wie man deutlich sieht, hatte ich nicht die geringste Ahnung, worauf ich mich einließ.
    »Was bedeutet diese Miene?«, fragte er.
    Ich lächelte. »Sie bedeutet gute Nacht. Ich bin völlig groggy.«
    »Dann verschwinde ich auf der Stelle, damit du schlafen kannst. Die Wohnung ist super. Ich erwarte eine Einladung zum Dinner, sobald du wieder da bist.«
    »Gut, du weißt ja, wie gern ich koche.«
    »Rufst du mich an?«
    »Aber klar doch.«
    Der schönste Augenblick des Tages kam, als ich endlich allein war. Ich schloss die Haustür ab und sah nach, ob alle Fenster verriegelt waren. Dann schaltete ich unten das Licht aus und stieg über meine Wendeltreppe in den Schlafraum. Um meine erste Nacht in der Wohnung zu feiern, ließ ich mir ein Bad ein, schüttete ein bisschen von dem Badeschaum hinein, den Darcy mir zum Geburtstag geschenkt hatte. Es duftete nach Kiefernnadeln und erinnerte mich an die Putzmittel, die der Hausmeister in meiner Grundschule benutzt hatte. Als Achtjährige hatte ich mich oft gefragt, welcher neunmalkluge Raumpfleger auf die verrückte Idee gekommen war, Erbrochenes mit Sägespänen zu bestreuen.
    Ich knipste das Licht im Bad aus, saß in der dampfenden Wanne und schaute aus dem Fenster auf den Ozean, der nur dort als schwarzes Band mit breitem Silberstreifen sichtbar war, wo der Mond die Dunkelheit durchbrach. Die Stämme der Sykomoren direkt vor dem Fenster waren kalkweiß, die blassgrauen Blätter raschelten in der kühlen Frühlingsbrise wie Papier. Es war schwer zu glauben, dass irgendjemand da draußen mich für Geld töten sollte. Ich weiß sehr gut, dass Unsterblichkeit nur eine Illusion ist, die wir brauchen, um von einem Tag zum anderen funktionieren zu können, aber schon allein die Vorstellung eines Mordauftrags war mir unbegreiflich.
    Das Badewasser hatte sich abgekühlt und war nur noch lauwarm, und ich ließ es durch den Abfluss gurgeln. Das Geräusch erinnerte mich an jedes Bad, in dem ich mich je geaalt hatte. Um Mitternacht glitt ich nackt zwischen die funkelnagelneuen Laken auf meinem funkelnagelneuen Bett und blickte durch das Oberlicht. Auf der Plexiglaskuppel lagen die Sterne wie
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