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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
Autoren: Sue Grafton
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darin eingesperrt gewesen wäre. Ich klappte den Deckel zu und legte die Mulchsäcke wieder genauso hin, wie sie vorher gelegen hatten. Auf allen vieren untersuchte ich den Boden um die Kiste herum. Nichts. Ich würde nie beweisen können, dass Agnes Grey hier gewesen war.
    Als ich ein paar Schritte zurücktrat, stieg mir ein fauliger Geruch in die Nase, modrig und süßlich und flüchtig wie Rauch. Diesen Geruch kannte ich. Ich spürte, wie meine flaut prickelte und sich mir die Nackenhaare sträubten. Angewidert verzog ich die Lippen. So rochen tote Eichhörnchen, die sich im Kamin verfangen hatten, verwesende Teile von Nagetieren, von der Katze auf der Veranda zurückgelassen, irgendwelche Geschöpfe, die unsere Nächte mit ihrem Gestank erfüllen, bis die Natur den Verwesungsprozess vollendet hat. Jesus. Woher kam der Geruch?
    Ich erhob mich auf die Knie und tastete auf der Werkbank herum, bis ich den Pflanzheber fand. Dann kroch ich wieder unter die Bank und fuhr mit den Fingern am Zementsockel des Schuppens entlang. Das Material war porös, bröckelig und mehlig — eben alt. Ich fand eine besonders bröselige Stelle und begann mit dem Pflanzheber zu graben und den Mörtel auszuhöhlen. Ich knipste meine Lampe aus und arbeitete nach dem Gefühl, wobei ich beide Hände benutzte. Unter der harten äußeren Schicht fühlte sich das Zeug krümelig an wie Sand, und es war feucht, als sei das Grundwasser irgendwie durchgesickert und habe den Zement unterwaschen. Der Geruch schien stärker zu werden. Dort unten lag etwas Totes.
    Ich schaltete wieder die Lampe ein und arbeitete mich nach rechts, wo ich zwei horizontale Sprünge sah. Ich fing an, den Zement wegzuhacken, und tat dabei dem Pflanzenheber mehr Schaden an als dem Zement. Ich rappelte mich auf die Füße und suchte auf der Werkbank nach einem geeigneteren Werkzeug. Am Gerätebrett entdeckte ich eine kurzstielige Hacke mit einer Spitze auf der Rückseite des Blattes. Ich kroch zu meiner Stelle zurück und begann ernsthaft zu hacken. Dabei machte ich verdammt viel Lärm und wunderte mich, dass niemand aus der Nachbarschaft sich beschwerte. Ein großes Stück Zement fiel aus der Mauer. Versuchsweise hackte ich in dem Schutt herum und grub mit der Spitzhacke nach. Schließlich fühlte ich Widerstand, irgendeine Wurzel vielleicht oder vielleicht auch etwas Widerwärtiges. Ich knipste wieder die Lampe an und spähte in den Hohlraum.
    »O Scheiße!«, flüsterte ich. Vor mir sah ich einen Fingerknochen. Entsetzt wich ich zurück, prallte mit dem Ellenbogen gegen den Rasenmäher und saugte zischend die Luft durch die Zähne ein. Unter den gegebenen Umständen war der Schmerz eine willkommene Ablenkung. Ich knipste die Lampe aus und stand auf. Dann stellte ich einen Sack mit Rindenmulch vor das Loch und schnappte mir meine Handtasche.
    Als ich durch die Tür ins Freie schlüpfte, wimmerte ich leise vor mich hin. Ich hängte das Vorhängeschloss wieder ein und entfernte mich, von einem Ekelkrampf geschüttelt, so schnell wie möglich von dem Schuppen. Im Moment schien ich zu nichts anderem fähig als zu frösteln und mir auf die Arme zu schlagen, um zu verhindern, dass meine Blutzirkulation stockte. Ich lief im Kreis und versuchte zu überlegen, was zu tun war. Ich atmete tief. Gott, war das scheußlich! Nach dem kurzen Blick, den ich riskiert hatte, lag der Knochen schon seit Jahren dort. Der widerwärtige Geruch konnte nicht von ihm kommen. Aber was war sonst noch dort unten? Im schwindenden Licht des Nachmittags schien das im Zickzack verlaufende Fundament zu glänzen. Jemand hatte von Zeit zu Zeit ein Nebengebäude angebaut: zuerst den Lattenverschlag neben die Garage und dann den Geräteschuppen neben den Lattenverschlag. An den Geräteschuppen schloss sich ein hoher, ordentlich aufgeschichteter Holzstoß an. Wenn Anne Bronfen sich in Agnes Grey verwandelt hatte, musste es Sheilas Leiche sein, die dort lag. Bronfen behauptete, seine Frau sei mit Irene durchgebrannt, aber ich glaubte ihm kein Wort. Als ich an den Finger dachte, schauderte mich noch einmal von Kopf bis Fuß. Das Fleisch war völlig verwest. Ich schüttelte heftig den Kopf und atmete zweimal ganz tief durch, schüttelte gewissermaßen meine Überempfindlichkeit ab. Irgendwo auf dem Grundstück musste eine andere Lösung zu finden sein.
    Ich ging zum Haus zurück und klopfte. Ich wartete, hoffte inbrünstig, dass Bronfen noch nicht zurück war. Nach einer Weile kam der alte Mann zur Tür geschlurft
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