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King of the World

King of the World

Titel: King of the World
Autoren: David Remnick
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Details erinnern konnte.
    »Komme ich Ihnen vor wie einer, den das Boxen geschädigt hat?« fragte er einmal. »Klinge ich nicht völlig normal? Ich liebe Boxen. Boxen ist wunderbar. Boxen hat mir alles auf der Welt gegeben.«
    Ein paar Monate später, im März 1998, sollte Patterson in einem Verfahren gegen die Promoter von »ultimate fighting«, einer besonderen Form des organisierten Chaos, das in New York verboten war, eine ausführliche Aussage machen. Die Aussage geriet für Patterson zur Katastrophe. Über drei Stunden wurde er unter Eid von einem Anwalt namens David Meyrowitz befragt.
    Frage: Gegen wen haben Sie (um den Schwergewichtstitel im Jahr 1956) gekämpft?
    Patterson: Da müßte ich mal überlegen … Ich kann mich nicht mehr erinnern, gegen welchen Gegner ich da gekämpft habe, aber schließlich habe ich ihn geschlagen und bin Weltmeister im Schwergewicht geworden …
    F.: Wo fand der Kampf statt?
    Patterson: Das weiß ich wirklich nicht. Ich glaube, in New York …
    F.: Kennen Sie den Namen Ihres Vorgängers?
    Patterson: Ja, ich komme gleich drauf. Einen Moment.(Stöbert in seinen Taschen.) Ich hab’s gleich. (Kann es nicht finden.)
    F.: Mr. Patterson, kennen Sie den Namen Ihres Vorgängers als Vorsitzender der Sportkommission des Staates New York?
    Patterson: Ja, doch, aber, ähm, ehrlich gesagt, ich habe letzte Nacht nicht besonders gut geschlafen und bin sehr, sehr müde, und wenn ich müde bin, fällt mir das Denken schwer …
    F.: Kennen Sie die Namen der beiden anderen Kommissionsvorsitzenden, die zu der Zeit, als Sie berufen wurden, Kommissionsvorsitzende waren?
    Patterson: Nein …
    F.: Kennen Sie die Namen der anderen Kommissionsvorsitzenden der Sportkommission des Staates New York?
    Patterson: Äh, ja und nein. Ich kenne sie, aber es fällt mir schwer, jetzt nachzudenken. Ich bin gestern abend erst sehr spät ins Bett gekommen …
    F.: Die beiden anderen Kommissionsvorsitzenden?
    Patterson: Es ist einmal eine Dame und ein Mann.
    F.: Haben Sie die Telefonnummer dieser Behörde (der Kommission in Poughkeepsie)?
    Patterson: Ich habe die Nummer zu Hause.
    F.: Und könnten Sie uns die Nummer jetzt sagen?
    Patterson: Nein …
    F.: Wie heißt die Sekretärin?
    Patterson: O Mann … Ich sehe sie ziemlich häufig. Ich kenne sie sehr gut. Ich hab nur gerade vergessen, wie sie heißt …
    Und so weiter. Die schmerzhafte Befragung fand am 20. März statt und kam zehn Tage später in die Zeitungen. Patterson wußte den Namen des Kommissionsanwalts nicht, er kannte die grundlegendsten Boxregeln nicht (Größe desRings, Zahl der Runden bei einem Weltmeisterschaftskampf), und er wirkte ganz allgemein verwirrt. Daß er sich nicht an den größten Abend seines Lebens erinnern konnte – seinen Sieg über Archie Moore 1956 in Chicago, mit dem er den Titel gewann –, machte ihn völlig fertig.
    »Worüber reden wir hier?« sagte er einmal. »Ich weiß nichts mehr.« Er räumte ein, wenn er müde sei, könne er sich schlecht an Namen erinnern: »Manchmal fällt mir nicht einmal mehr der Name meiner Frau ein, und ich bin jetzt zwei-, dreiunddreißig Jahre mit ihr verheiratet.«
    Als die
New York Post
deutlich machte, daß sie einen Bericht über diese Aussage bringen wolle, schrieb Patterson schnell einen Brief an Gouverneur George Pataki und trat von seinem Posten zurück.
    »Wenn ich müde bin, fällt mir das Denken schwer«, sagte Patterson. »Manchmal fällt mir nicht einmal mein eigener Name ein.«
     
    Die besten Schwergewichtler zu Alis Zeiten und auch danach – Patterson, Liston, Joe Frazier, George Foreman, Larry Holmes, Mike Tyson, Evander Holyfield –, alle stehen sie im Schatten Alis. Sie waren alle gute Boxer, sogar hervorragende, doch sie konnten sich nie Hoffnungen darauf machen, Alis Resonanz wie auch seine Brillanz zu erreichen. »Mit der Zeit lernte ich Ali lieben«, sagte Patterson zu mir. »Allmählich erkannte ich, daß ich Boxer war und er Geschichte.«
    Es könnte sich erweisen, daß Ali der Höhepunkt des Boxens und auch sein Ende war. Seine Nachfolger kamen zu einer Zeit, als das Boxen selbst schon im Schwinden begriffen war. Eines nach dem anderen schließen die berühmtesten Box-Gyms im Land. Das Fifth Street Gym, das Gramercy Gym, Stillman’s, das Times Square Gym – alle dicht.In Arenen wie dem Madison Square Garden finden pro Jahr höchstens noch einige wenige Kämpfe statt. Boxen wird zunehmend zum anachronistischen Entertainment in Glücksspielstädten, vergleichbar mit
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