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King of the World

King of the World

Titel: King of the World
Autoren: David Remnick
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Gesten der Versöhnung war, die New Yorker Moschee zu Ehren des alten Antagonisten seines Vaters in Malcolm X-Moschee umzubenennen.In vieler Hinsicht ist Ali Malcolms Weg gefolgt. Anfangs war Alis Mitgliedschaft bei der Nation überwiegend politisch begründet – als Zeichen von Selbstbewußtsein und Rassensolidarität –, doch wie Malcolm wurde er dann weniger ausschließlich in seinen Äußerungen und auch frommer. Alles an der Nation, das einmal so bedrohlich oder undurchsichtig war – die separatistischen Phrasen, die so herzlich vom Ku-Klux-Klan begrüßt wurden, das Gerede vom »großköpfigen« Yacub und von mysteriösen Raumschiffen –, das alles ist für Ali schon lange vergessen.
    Ali ist außerordentlich stolz auf seine Vergangenheit, doch wenn es eines gibt, auf das er mit Bedauern zurückblickt, dann ist es seine grausame und übereilte Ablehnung Malcolms. Eine von Alis ersten Handlungen, als ich ihn in Berrien Springs aufsuchte, war, einen gewaltigen Aktenkoffer zu öffnen und ein Foto von ihm und Malcolm herauszuholen, das Howard Bingham in Miami kurz vor seinem ersten Kampf gegen Liston gemacht hatte.
    »Das war Malcolm, ein großer, großer Mann«, sagte er mit seiner leisen Flüsterstimme.
    Zu Hause wie auch unterwegs führt Ali den Menschen, denen er täglich begegnet, eine Reihe von Tricks vor. Auch mir hat er sie natürlich vorgeführt. Er macht gern Zauberkunststückchen: Er »levitiert« auf einem Fuß; indem er zwei Finger aneinanderreibt, vermittelt er einem den Eindruck, als hörte man eine sehr lästige Grille hinterm Ohr; er läßt einen kleinen Ball verschwinden. Es ist so, als wollte er sein Gegenüber und sich selbst mit diesen simplen Tricks an die größeren Kunststücke in seiner Karriere erinnern: an den gespielten Nervenzusammenbruch beim Wiegen vor dem Kampf gegen Liston, die glupschäugigen Lyrikrezitationen, seine Geschicklichkeit im Ring. Doch dann – ein Muslim kann niemanden täuschen – enträtselt er seine Zauberei underklärt einem, wie die Tricks funktionieren, zeigt einem, wie man sich auf einem Zeh aufstellt, um sich zu »levitieren«.
    Doch Tricks sind nur Tricks, sie bedeuten ihm nicht mehr viel. Ali nimmt seinen Glauben ernst. Gern spricht er über Glauben und Islam, indem er die »Konsistenz« islamischer Texte mit der der Bibel vergleicht, und zwar auf eine todernste wissenschaftliche Art und Weise. Stets hat er eine lange Liste mit textlichen »Inkonsistenzen« im Alten und Neuen Testament bei sich. Als ich bei ihm war, verbrachte er mindestens ebensoviel Zeit damit, in seiner alten, abgenutzten Bibel zu blättern und diese Inkonsistenzen nachzuschlagen, wie mit Fragen der Rasse oder des Boxens oder was sonst. So verwies er beispielsweise auf eine Inkonsistenz zwischen dem Markus- und dem Matthäusevangelium, als habe er mit einem Schlag eine eherne Säule des Christentums erschüttert.
    »Davon gibt es dreißigtausend!« sagte er. »Das hat jemand herausgefunden.«
    Alis Glaube ordnet sein Leben und hilft ihm, mit seiner Krankheit zurechtzukommen. Auch einem unbedeutenderen Mann könnte man gelegentliche Stunden der Trübsal nachsehen, denn mit Ali haben wir einen Darsteller, dem das, was einmal als sein Wesen galt – seine körperliche Schönheit, seine Schnelligkeit, sein Witz, seine Stimme –, genommen worden ist, und dennoch zeigt Ali niemals Selbstmitleid. »Ich weiß, warum das so gekommen ist«, sagt er. »Gott zeigt mir, daß ich nur ein Mann wie jeder andere bin. Das zeigt er auch Ihnen. So können Sie von mir lernen.«
    Nicht, daß Ali mit seiner Vergangenheit abgeschlossen hätte. Er verdient seinen Lebensunterhalt, indem er Bilder signiert, die dann auf Auktionen und von Händlern verkauft werden. Für ihn arbeiten mehrere Agenten und Anwälte, und alles wird von Lonnie koordiniert.
    Manchmal träumt Ali von seinen alten Kämpfen, besonders von den dreien gegen Joe Frazier. Auch schwelgt er durchaus gern in der Vergangenheit. Als der Dokumentarfilm über seinen Triumph in Zaire,
When We Were Kings
, herauskam, sah Ali sich das Band gleich mehrmals an. Er war in Hollywood, als der Regisseur des Films, Leon Gast, einen Oscar dafür bekam. Ali stand auf und nahm wortlos stehende Ovationen entgegen, so wie er es auch heute tut.
     
    Seinen größten Triumph im Ruhestand erlebte er an einem Sommerabend in Atlanta, als er zur Überraschung so ziemlich aller Zuschauer unvermittelt mit einer Fackel in den Händen erschien und die Olympiade 1996
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