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King of the World

King of the World

Titel: King of the World
Autoren: David Remnick
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Bahamas bestritt, hatte sein neurologischer Niedergang sehr wahrscheinlich schon begonnen. Er sprach schon undeutlich, und seine Reflexe waren nicht mehr annähernd so wie einst. Diese Kämpfe waren nur noch kriminell.
    »Aber Schuld ist ein hartes Wort«, sagte Pacheco. »Ich beschuldige niemanden. Die schlitterten da alle so rein, weil sie glaubten, irgendwie würde Ali es eben doch noch schaffen, so wie er es immer geschafft hat. Sie begriffen nicht, daß diese Siege auf Kosten seines Körpers gingen, das akzeptierten sie nicht, obwohl die Boxerdemenz in jedem x-beliebigen Box-Gym vorkommt. Das konnten sie mit diesem großen, wunderbaren, herrlichen Kerl, der immer noch gleich aussah, nicht in Einklang bringen. Das ist das Problem. Sie
sehen
genauso
aus
. Ich war in Sugar Ray Robinsons Ecke bei einem seiner letzten Kämpfe. Der hat auch genauso
ausgesehen
.
    Zuletzt sah ich Ali (als Arzt) 1977. Aber ich habe seinen Niedergang beobachtet. Jetzt sehe ich ihn immer wieder. Wenn ich ihn heute sehe, sagt er: ›Hi, Doc, wie geht’s denn so‹, und erzählt mir, daß ich meinen Erfolg ihm verdanke, was ich ihm hundertprozentig bestätige. Er sagt, wie überrascht er ist, was wir alles erreicht haben, er und ich. Aber eigentlich sagt er nichts. Platitüden, Scherze, Gags. Ich versuche gar nicht erst, mich richtig mit ihm zu unterhalten. Das hab ich schon oft genug tun können. Es gibt nichts mehr, was er mir oder was ich ihm sagen kann, das etwas daran ändert, wie es mit ihm weitergeht, und ich weiß, wie es mit ihm weitergeht.
    Zum Glück hat er das, was wir alle gern hätten: inneren Frieden. Er ist der einzige, den ich kenne, der das hat. Er hat den totalen Seelenfrieden, weil er sich überzeugt hat, daß das, was wichtig ist, nicht
hier
abläuft. Daß das im Himmel läuft. Und er arbeitet mit aller Macht daran, daß er da hinkommt, und er hat das absolute Wissen, daß er da hinkommt. Sehen Sie, Ali war einmalig. Ali und Boxen sind zwei verschiedene Themen. Das einzige, was bei Ali reines Boxen war, war das tragische Ende, das alle Boxer nehmen, wenn sie zu gut waren und es nicht lassen können. Joe Louis, Sugar Ray Leonard, Sugar Ray Robinson, George Foreman, Larry Holmes, Tommy Hearns. Die wollen einfach nicht aufhören! Also enden sie tragisch. Das ist das eine, das
einzige
, was Ali zu einem Boxer wie alle andern macht.«
     
    Ali sitzt im Büro seiner Farm in Michigan. Das Büro liegt im zweiten Stock eines kleinen Hauses, das hinter dem Hauptgebäude steht; es ist das Hauptquartier einer Firma mit dem Namen GOAT – »
The Greatest of All Times
«. Draußen ziehen Gänse über den Teich. Ein paar Männer arbeiten auf den Feldern. Jemand mäht den großen Rasen, der sich vom Hauszum Tor des Anwesens erstreckt. Schöne Autos stehen da, darunter ein Stutz Bearcat. Es gibt einen Tennisplatz, einen Swimmingpool und einen Spielplatz mit Geräten, die für eine kleine Schule in einer gutbetuchten Gemeinde reichen würden. Ali ist Vater von neun Kindern; die älteste ist Maryum, sie ist achtundzwanzig, der jüngste ist Assad Ali, ein sechsjähriger Junge, den Lonnie und Muhammad adoptiert haben. »Muhammad hat endlich einen Spielgefährten gefunden«, sagte Lonnie. »Für seine anderen Kinder war er nicht oft da, aber mit Assad spielt er nun die ganze Zeit.« Die Alis haben gern auf der Farm gelebt, aber nun suchen sie einen Käufer. Sie hatten Gespräche mit Leuten, die sie kaufen und ein Wellness-Center daraus machen wollten; sie haben sogar versucht, sie an einen Teleshopping-Sender abzustoßen. Irgendwann, sagte Lonnie, zieht die Familie zurück nach Louisville, wo, wie sie hofft, einmal ein Muhammad-Ali-Zentrum gebaut wird. Alis Eltern sind tot, doch sein Bruder arbeitet noch in Louisville.
    Alis Tag beginnt vor sechs Uhr mit dem ersten von fünf täglichen Gebeten. Manchmal betet er in einer Laube auf dem Rasen oder aber im Wohnzimmer. Lonnie ist auch Muslimin und trägt zumeist unauffällige, wenn auch nicht ganz traditionelle Kleidung. Alis religiöse Richtung hat sich mit der Zeit geändert. Elijah Muhammad starb 1975, danach teilte sich die Nation of Islam zwischen den Anhängern von Muhammads Sohn Wallace, der versuchte, die Doktrin der Nation zu mildern, indem er die Göttlichkeit seines Vaters bestritt und sich dem traditionellen Islam annäherte, und Louis X (heute Louis Farrakhan), der Wallace für einen schwachköpfigen Häretiker hält. Ali blieb bei Wallace Muhammad, und eine von Wallaces ersten
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