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0599 - Die Burg der Schlange

0599 - Die Burg der Schlange

Titel: 0599 - Die Burg der Schlange
Autoren: Andreas Kasprzak
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Jessica Williams war siebzehn Jahre alt, rotblond, hatte große, graugrüne Augen und einen knabenhaften, allerdings nicht unansehnlichen Körper.
    Sie spitzte unwillkürlich die Ohren, als sie die Laute vernahm.
    Ki-witt! Ki-witt!
    Der Ruf des Totenvogels! dachte sie sofort, und unter dem Stoff ihrer Lederjacke bildete sich eine Gänsehaut auf ihren Oberarmen.
    »Hast du das gehört?« flüsterte sie und wandte sich beim Gehen an ihren Begleiter.
    Die Dunkelheit und der Umstand, daß es in dieser verlassenen Gegend von Gloucestershire weder Häuser noch Straßenlaternen zu geben schien, waren nicht unbedingt dazu angetan, ihre Stimmung zu heben.
    Jackson Matthews - großgewachsen, blond, mit einer Nase, die wie ein Erker aus dem bebrillten Gesicht ragte, und einer Figur wie ein Zaunpfahl -nickte. »Ein Waldkauz«, erklärte er. »Ein Eulenvogel. Sowas wie ’n Uhu. Steht unter Naturschutz, soviel ich weiß.«
    Das Käuzchen ließ sich erneut vernehmen.
    Ki-witt! Ki-witt!
    »Unheimlich«, kommentierte Jessica. Sie widerstand dem Drang, sich vor Unbehagen zu schütteln. »Es klingt, als würde das Vieh uns Zurufen: Kommt mit! Kommt mit!« Das Mädchen strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn und wiederholte dann: »Unheimlich«.
    Jackson setzte ein schiefes Grinsen auf, zog an seiner Zigarette und blies den Rauch durch Mund und Nase aus, wie es die harten Kerle in den Actionfilmen immer taten, die er sich mit Vorliebe anschaute.
    »Manchmal«, sagte er, »geht deine Phantasie echt mit dir durch, Jess. Du solltest nicht immer diesen elenden Horror-Mist lesen. Stephen King, Carter Jackson und wie diese ganzen Irren sonst noch heißen. Ist nicht gut für dich, glaub mir.«
    Es hätte eigentlich eher ihrer Jungmädchenart entsprochen, ihm jetzt entrüstet vorzuhalten, daß er wieder einmal versuchte, sie zu bevormunden. Und das bloß, weil er klägliche zwanzig Monate älter war als sie. Statt dessen verlangsamte Jessica unvermittelt ihre Schritte und sah ihren Begleiter von der Seite her an.
    Das Lächeln, das auf ihren Lippen lag, barg mehr als nur eine Spur Anzüglichkeit.
    »Wenn meine Phantasie mal wirklich mit mir davongaloppiert, wirst du Mühe haben, dich im Sattel zu halten, Cowboy.«
    »Keine Angst, Baby«, sagte Jackson lakonisch. »Ich bin passionierter Rodeoreiter. Wenn es darauf ankommt, werde ich mich schon oben halten. Du wirst sehen.«
    »Versprich nichts, das du nicht halten kannst«, erwiderte Jessica und zwinkerte ihm verschwörerisch zu.
    Jackson entgegnete nichts darauf. Solche Sprüche war er von ihr gewohnt. Darum wußte er, daß er kaum Gefahr lief, daß Jessica ihm unvermittelt die Kleider vom Leib reißen und ihn im nächsten Straßengraben vergewaltigen würde.
    So sehr er sich das vielleicht auch wünschen mochte.
    Dafür war Jessica aber viel zu schüchtern. Sie tat bloß immer so, als wäre sie so verrucht.
    Während sie weitergingen, nahm Jackson einen letzten Zug von seiner Zigarette. Sie war mittlerweile bis auf den Filter abgebrannt. Er schnippte die aufgerauchte Kippe achtlos fort.
    Wie ein rotglühender Leuchtkäfer flog der Glimmstengel durch die Dunkelheit, um irgendwo im Unterholz zu landen.
    Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Der Vollmond erhellte ihnen den Weg.
    Dann sagte Jessica: »Was meinst du, Jack, wie weit ist es noch bis nach Hexham?«
    Auf dem letzten Schild, das sie gesehen hatten, war die Entfernung bis zu dem Ort mit sechs Kilometern angegeben gewesen. Doch Jessica hatte das Gefühl, seitdem mindestens die zehnfache Strecke zurückgelegt zu haben.
    Jackson zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Ich nehme an, daß wir bald da sind. Vielleicht noch zehn Minuten oder so. Zumindest nicht mehr sonderlich weit.«
    Jessica seufzte, zog den Ärmel ihrer Jacke hoch und sah auf ihre Uhr.
    »Viertel nach elf«, kommentierte sie. »Glaubst du, in dem Kaff gibt es sowas wie 'n Hotel? Für eine warme Dusche, ein kuscheliges Federbett und eine entspannende Massage würde ich meine Unschuld verkaufen.«
    Wieder einer von diesen blöden Sprüchen, mit denen sie ihn anschärfte, um ihn anschließend im Regen stehenzulassen.
    »Falls wir keine Pension finden, suchen wir uns irgendwo am Ortsrand 'ne Scheune«, sagte Jackson Matthews.
    Gleichwohl war er selbst auch nicht böse darüber, wenn es in Hexham sowas wie ein Hotel gab. Vor acht Tagen waren sie mit der Absicht aus ihrer Heimatstadt Inverness losmarschiert, rechtzeitig zum Konzert der Screaming
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